Das Portrait
: Forstpionier gegen Baumkosmetik

■ Hans Bibelriether

Schmähanrufe sind in letzter Zeit seltener geworden. Und ab dem 1. April haben die angeblichen Waldschützer, die in ihm den „Totengräber“ des Bayerischen Waldes ausmachten, endgültig ihr Feindbild verloren. Mit Dr. Hans Bibelriether (65) geht der Chef des ersten bundesdeutschen Nationalparks in Ruhestand. 28 Jahre hat er ihn geleitet.

Daß der Nationalpark Bayerischer Wald heute in einem Atemzug mit Schutzgebieten wie Yellowstone oder Yosemite genannt wird, ist vor allem das Verdienst des aus Mittelfranken stammenden Forstpioniers. Von seinem Credo, daß ein hochindustrialisiertes Land wie Deutschland sich Flächen leisten muß, in denen die Natur völlig sich selbst überlassen wird, hat er sich auch nicht abbringen lassen, als in den letzten drei Jahren die vorgeschädigten Bergfichtenwälder in den Hochlagen des Bayernwaldes großflächig abzusterben begannen. Über 1.500 Hektar Totholzflächen durch den Borkenkäfer führten zu massiven Protesten vieler einheimischer „Waldler“ gegen das Laisser-faire.

Die toten Bäume sind nach Ansicht Bibelriethers freilich „kein ökologisches, sondern ein psychologisches Problem“. In einer Gesellschaft, die den Tod auf Intensivstationen und in Hospize zurückdränge, sei eben kein Platz für den Anblick dürrer, in den Himmel ragender Baumstämme.

Um das derzeit flächengrößte Fichtensterben in Mitteleuropa zu begrenzen, hat die bayerische Staatsregierung für das Erweiterungsgebiet – der Nationalpark wurde 1997 um 11.000 auf jetzt insgesamt 24.000 Hektar vergrößert – für eine Übergangszeit von 20 Jahren Borkenkäferbekämpfung und Neupflanzungen in den Hochlagen erlaubt. Für Bibelriether ist das Kosmetik für die Nationalparkkritiker: „Ein forstlicher Augentrost, nur damit's grün ist.“

Der Forstexperte ist überzeugt, daß im Bayerischen Wald nicht der bisherige Fichtenstangenwald der Wald der Zukunft ist, sondern ein differenzierter Mischwald mit Buchen, Vogelbeerbäumen und Tannen. Denn das Grundproblem des Bayerischen Waldes und der meisten Wälder weltweit kann keine Anpflanzung beheben: Die globale Klimaerwärmung und die Luftschadstoffe führen zu mehr Wasserstreß, Wurzelschädigung und Windwurf, die dem Borkenkäfer die Bäume wie auf dem Silbertablett servieren. Werner Schötz