: Penisnudeln al dente
CDs, Bücher und Schokokondome: Hamburgs einziges homosexuelles Kaufhaus ist kein Erotikausstatter für Touristen ■ Von York Pijahn
„I can't even think straight“steht auf dem T-Shirt, das am Eingang des homosexuellen Kaufhauses Clemens prangt. Und unter diesem Motto läßt sich beinahe die gesamte Produktpalette zusammenfassen, die seit Oktober vergangenen Jahres im Souterrain der Clemens-Schultz-Straße 77 auf St. Pauli feilgeboten wird: Auf einem Tisch liegen Photobände und Romane schwuler Autoren, CDs mit den Kultstars der homosexuellen Szene wie Marianne Rosenberg oder Gloria Gaynor gleich daneben. „Billy“, das schwule Pendant zu Barbiepartner „Ken“, hält seinen Puppen-Penis grinsend Richtung Kundschaft.
„Vor zwei, drei Jahren kam mir in den USA die Idee, ein Kaufhaus nur für Schwule zu machen, und da habe ich meinen Job im Büro an den Nagel gehängt und angefangen, mich nach entsprechenden Artikeln umzuschauen“, erzählt Ladeninhaber Frank Priebe, der neben seiner Computerkasse sitzt. Der Bildschirmschoner zeigt einen Lederknaben, der mit seinen Pobacken wahrscheinlich eine Fahrradspeiche durchkneifen könnte.
Aus den Vereinigten Staaten und Großbritannien stammen die meisten Sextoys und Magazine, die auf 80 Quadratmetern zu schwulem Shopping verführen sollen. Dennoch wirkt Clemens nicht wie ein Erotikausstatter für Touristen. Statt dessen kann man über weißen Steinfußboden flanieren, sich Männer mit Waschbrettbauch auf Postkarten anschauen und unter den Farben des Regenbogens ein Schokoladenkondom lutschen.
Das alles gilt nicht nur für Männer. „Oft kommen auch Lesben vorbei. Die schauen sich dann meistens den Schmuck an,“sagt Priebe und deutet auf silberne Kreuze und Kreise, die dem Symbol der homosexuellen Frauen nachempfunden sind. Aber auch „Heten“, wie Frank Priebe sagt, steigen manchmal die Treppen ins Kaufhaus Clemens hinab. Der Renner bei den heterosexuellen Kunden sind vor allem die Penisnudeln, phallisch geformte Hartweizenpasta, die al dente gekocht werden soll.
Mit einem Extraraum am Ende des Ladens zollt der Clemens-Inhaber der Kieznähe Tribut. Videos mit so vielversprechenden Namen wie „Leather Dream“und „Week-end Sexcamp“gibt's zu kaufen oder auch im Verleih. Und auch schwule Szenemagazine müssen nicht mehr per Bestellformular aus den USA geordert werden. Die gibt's jetzt um die Ecke.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen