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Eine Karrierefrau ohne Charisma

Die neue Sozialsenatorin Karin Roth – eine Frau mit vielen Gesichtern  ■ Von Florian Marten

„Ich bin nicht nach Hamburg gekommen, um DGB-Vorsitzende zu werden.“Als Stadtchef Ortwin Runde die DGB-Chefin des Bezirks Nordmark gestern zu seiner Sozialsenatorin kürte, enthüllte dieser Ausspruch von Karin Roth aus dem Jahr 1994 nachträglich seinen tieferen Sinn. Schon am 5. Februar 1994, bei ihrer Wahl zur DGB-Nord-Chefin, hatte die IG-Metall-Funktionärin keinen Hehl aus ihrer mangelnden Begeisterung für die kränkelnde Dachorganisation der Gewerkschaften gemacht. Der DGB, so Roth damals, sei „ein notwendiger, wenn auch nicht von allen geliebter Teil der Gewerkschaftsbewegung“. Sie wechselte „von der starken IG Metall zu einem DGB, der sicher nicht in aller Munde ist“.

Was für eine Frau ist diese Karin Roth? Eine, die mit Können und Mut ihren Weg gemacht hat? Eine, die stramm gegen Atomkraft und für Frauenpower eintritt, die sich konsequent in ein MacherInnenamt vorgearbeitet hat, wo sie endlich ihre Talente tatkräftig unter Beweis stellen kann? Oder doch eher, wie nicht wenige meinen, eine opportunistische Karrieristin, die nach unten tritt und nach oben buckelt? Eine, die dabei vom Drang beseelt ist, möglichst weit vorne auf dem Podium zu stehen? Eine Frau, welche die zunehmende Bedeutungslosigkeit von Gewerkschaften genutzt hat, um auf dem Frauenticket Karriere zu machen?

Die Annäherung an die „wahre“Persönlichkeit von Hamburgs neuer Sozialsenatorin Karin Roth fällt nicht leicht. Extrem kontrovers schon die Urteile im näheren Umfeld der 49jährigen. Da lobt Hamburgs DGB-Chef Erhard Pumm Roth als „dynamische, kreative, unkonventionelle, bewegliche und entscheidungsfreudige Frau“, während geschaßte Untergebene über ihren „intriganten Drang zur Macht“fluchen. Andere Hamburger Spitzengewerkschafter wiederrum schütteln nur müde den Kopf über Roths „geballte Inkompetenz und Schaumschlägerei“.

Auch wer Karin Roth persönlich begegnet, erlebt, wenngleich nicht in diesen Extremen, Widersprüchliches: Mal präsentiert sie sich als engagierte Gewerkschaftsvordenkerin, die die Probleme der Zeit erkannt hat und daher für eine europäische, moderne Gewerkschaftsbewegung kämpft. Dann wieder wirken ihre Bekenntnisse ein wenig hohl, phrasenhaft, ist eine politische Linie nicht so recht erkennbar.

Karin Roths Ausflüge in die gestaltende Politik verliefen nicht immer sehr erfolgreich. So gelang es ihr, 1995 mit Schleswig-Holsteins Landeschefin Heide Simonis (SPD) ein Bündnis für Arbeit zu zimmern, welches anschließend wegen seiner arbeitsplatzvernichtenden Folgen im öffentlichen Dienst bei den Betroffenen auf heftigste Kritik stieß. Und das, obwohl Heide Simonis sich rühmte, gerade durch dieses Bündnis mehr Menschen (durch Teilzeit und Lohnverzicht) in öffentlicher Beschäftigung behalten zu haben, als es sonst möglich gewesen wäre.

Bei Henning Voscheraus Bündnis für Arbeit saß Roth auch mit am Tisch – es kam jedoch wegen inhaltlicher Unstimmigkeiten nie zum Einsatz. Eine richtige Bauchlandung erlebte Karin Roth dann 1997 mit ihrem Hamburger Bündnis für Ausbildungsplätze. Ohne Abstimmung mit der DGB-Jugendbasis und hinter verschlossenen Türen hatte sie ein Konzept mit ihrer jetzigen Vorgängerin, Arbeitssenatorin Helgrit Fischer-Menzel, und Wirtschaftsvertretern ausgehandelt. Ausbildungsplätze wurden versprochen unter der Bedingung, daß bisherige Standards der Lehre abgesenkt werden. Gewerkschaftsjugend und Spitzengewerkschafter protestierten. Es kam zum Eklat. Das Bündnis platzte, bevor es zustande kam. Selbst Roth-Freund Erhard Pumm räumt ein: „Da habe ich in letzter Sekunde die Reißleine gezogen. Das Beispiel zeigt aber auch, daß wir eine sehr aktive DGB-Jugend haben.“

Karin Roth, hat, so sehen es auch langjährige Weggefährten, manchmal Schwierigkeiten, bei ihren Vorstößen den Kontakt zur Basis nicht ganz zu verlieren. Der direkte Kontakt zu den Mächtigen liegt ihr mehr. Vielleicht ist sie eben nicht wirklich eine „linke Reformerin“, wie manche Zeitung sie gern etikettiert, sondern einfach eine Gewerkschafterin, die für ihre Karriere die 68er-Themen „links“, „feministisch“und „ökologisch“nutzte, ohne sich deren Inhalte jemals zu einer wirklichen Herzensangelegenheit zu machen. Ungewöhnlich wäre das kaum: Hat Gerhard Schröder es nicht ganz ähnlich zum jetzigen Kanzlerkandidaten gebracht?

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