: Heldin ohne Hoffnung
■ Keine Angst vor Ambivalenzen: Der Film „Flame“erzählt von Zimbabwes Widerstandskämpferinnen
Der Gurt des Maschinengewehrs lastet auf ihren Busen. Ernst, entschlossen und erschöpft blicken die Genossinnen Flame und Liberty in die Kamera eines Pressefotografen. Die Schwarz-weiß-Aufnahme zeugt von ihrer Vergangenheit als Guerilla-Kämpferinnen. Es ist 1995 in Zmbabwe: Der Bürgerkrieg gegen das Rassisten-Regime Ian Smiths liegt 15 Jahre zurück – und die Freundinnen treffen sich sich ersten Mal seit dem Ende des Krieges.
Liberty will die Vergangenheit verdrängen, doch Flame nagelt ihr das Foto an die Tür. In einer weiten Rückblende erzählt der Film die Geschichte der ungleichen Freundinnen, die mit 15 Jahren ihr Dorf verlassen und sich in Mosambik der männlich dominierten Befreiungsarmee anschließen.
Die Geschichte ist authentisch: Alle Ereignisse beruhen auf Interviews, die ehemalige Kämpferinnen der englischen Regisseurin Ingrid Sinclair gegeben haben. Flame ist der erste Spielfilm der Dokumentarfilmerin, die seit 1988 in Zimbabwe lebt. Und er wurde aus der Not geboren. Aus Angst vor Diffamierungen war keine der Frauen bereit, ihre Geschichte vor laufender Kamera zu erzählen.
Auch als Spielfilm hat Flame in Zimbabwe hohe Wellen geschlagen. Die Zimbabwe War Veterans Association, ein einflußreicher Zusammenschluß ehemaliger Freiheitskämpfer, erstattete Anzeige wegen „Pornographie“und „subversiver Inhalte“. Die Rohschnittfassung wurde beschlagnahmt. Doch nach der endgültigen Freigabe wurde der Film zum Publikumsrenner, gewann internationale Preise – und löste eine breite gesellschaftliche Diskussion aus.
Tatsächlich zeichnet Flame kein verklärendes, sondern ein vielschichtiges Bild des Freiheitskampfes. „Im Krieg vergißt man manchmal, daß man ein Mensch ist“, sagt der Kommandant des Lagers – nachdem er Flame vergewaltigt hat. Und sie akzeptiert die Entschuldigung des Mannes, nach dessen Befehlen sie weiterkämpft, dessen Sohn sie zur Welt bringt – und in den sie sich sogar verliebt.
Ohne Angst vor Ambivalenzen wird die schwierige Wirklichkeit wie selbstverständlich aufgeblättert. Sichtbar wird dies auch in den unterschiedlichen Lebensentwürfen der Frauen, die gleichberechtigt nebeneinandergestellt werden: Während die Soldatin Flame von einer Familie und einem Stück Land träumt, arbeitet die strebsame Liberty an einer Karriere in der Stadt. Für keine der beiden erfüllt sich die Hoffnung auf ein besseres Leben. „Man muß Kompromisse machen“, sagt Liberty.
Die nostalgiefreien und nüchternen Bilder bestechen durch Respekt. Gerade diese offene Distanz macht den Film so dicht und bewahrt ihn davor, zum Lehrstück zu werden. Konsequent wird die Geschichte aus dem Blickwinkel der beiden Frauen erzählt, die große Politik so weit wie möglich ausgespart. Die Militärparaden zum 15. Nationalfeiertag des Sieges verfolgen Flame und Liberty kartoffelchipsessend mit ehemaligen Genossen vor dem Fernseher. Heldinnen ohne Ruhm, die trotz allem noch lachen können.
Sabine Claus
Premiere: heute, 20.30, 3001. In Anwesenheit von Ndanatsei Mudokuwenju, ehemalige Kämpferin in der Befreiungsarmee von Zimbabwe. Ab morgen läuft der Film im 3001 um 18.45 Uhr.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen