This is Jekyll-Town

■ Richtig auf die Kacke hauen: Freude, Zahlen und ein Überraschungsgast bei der „Jekyll & Hyde“-Präsentation

Er weiß, warum ihn das Musical fasziniert. „Ich kann zum ersten Mal richtig auf die Kacke hauen“, sagt Dietrich Hilsdorf. Der 49jährige Regisseur war eigentlich der Überraschungsgast bei der Präsentation des Musicals „Jekyll & Hyde“gestern im Congress Centrum. Denn Hilsdorf, der in Ulm, Bonn, Frankfurt, Münster oder Gelsenkirchen Schauspiele und Opern inszenierte und 1985 in Frankfurt Fassbinders Skandalstück „Der Müll, die Stadt und der Tod“auf die Bühne brachte, wird die Sex-and-Crime-Story nach dem Stevenson-Klassiker im neuen Theater am Bremer Richtweg einstudieren. Dem arbeitswütigen und vor allem im Opernfach gefragten Regisseur wird – negativ – vulgärer Grobianismus nachgesagt und – positiv – seine Bildersucht und sein Aktualisierungsfaible zugute gehalten. Er wurde gefeiert für die Inszenierung der Ligeti-Oper „Le grand Macabre“1997 in Hannover und gilt ansonsten durchaus als AbonnentInnenschreck. Trotzdem darf er im kommerziellen Theater in Bremen auf die Kacke hauen. Sein Konzept für die deutschsprachige Erstaufführung des Broadway-Musicals „Jekyll & Hyde“, so Produzent Frank Buecheler, war von drei Einreichungen das beste.

Vor allem die technischen und optischen Effekte werden die am 19. Februar 1999 herauskommende Bremer Produktion vom New Yorker Original unterscheiden. „Wenn wir uns mit First-Class-Produktionen wie Miss Saigon oder Phantom der Oper messen wollen, müssen wir eine opulente Show bieten“, glaubt Buechelers Compagnon Lutz Jarosch. Mit 1.500 Plätzen ist das Theater am Richtweg auch um die Hälfte größer als das „Plymouth Theatre“in Manhattan. Um das achtmal in der Woche zu füllen, wollen Buecheler und Jarosch in den nächsten Monaten allein zehn Millionen Mark für Marketing ausgeben. Knapp die Hälfte davon wandert in Plakatwerbung, Spots und andere Kampagnen vor allem in einem 200-Kilometer-Umkreis um Bremen, damit jeder zwischen Helgoland und Braunschweig erfährt, daß „Jekyll & Hyde“ein Musical und keine der bislang 15 Verfilmungen ist.

Schon vor der Premiere will Jarosch 100.000 Karten für das Musical verkaufen. Das ist ein ehrgeiziges Ziel, zumal die Produzenten zumindest in den ersten beiden Jahren nicht auf die BesucherInnenströme setzen können, die durch den Ocean- und Space-Park nach Bremen gelockt werden sollen. „Davon würden wir profitieren“, drückt es Jarosch offen aus. Wenn die Themenparks „Luftschlösser“bleiben, wird man die kalkulierte Auslastung wohl nach unten korrigieren müssen. In den ersten beiden Jahren – also ohne die „Parks“– wollen Jarosch und Co. das Theater zu 50 Prozent auslasten. Für die Produzenten ist das der sogenannte break even point – also kostendeckend. Viel höher liegt der bei der Stadt. Obwohl Finanzsenator Hartmut Perschau (CDU) glaubt, daß Bremen indirekt auf jeden Fall vom „Top-Musical vom Broadway“profitieren werde, wird der Theaterbau nach aller Wahrscheinlichkeit subventioniert: Bei einer – für den Anfang sehr hohen – Auslastung von 70 Prozent zahlt Bremen 1,7 Millionen Mark jährlich. Liegt sie niedriger, wird es teurer, liegt sie höher, billiger.

Perschau: „Wenn man in Bremen Projekte durchsetzen will, muß man sie wie ein Schiff über die Brandung des Protestes hieven.“Wohl deshalb wurde eine Szene nicht aus dem Werbefilm herausgeschnitten, die den Hunderten von BusunternehmerInnen, WerbepartnerInnen, JournalistInnen und anderen Neugierigen im Congress Centrum Bremen vorstellen sollte: Eine bewegend bewegte Luftaufnahme vom Vulkan-Gelände. ck

P.S. 1: Frank Buecheler begrüßte den Autor und den Komponisten des Originals, Leslie Bricusse und Frank Wildhorn, mit „Welcome to Jekyll-Town“. Wildhorn mag Bremer Bier, und der zweifache Oscar-Preisträger Bricusse wundert sich, daß Bremen so durchgrünt ist.

P.S. 2: Die Wände im Theater werden nachtblau, Boden und Sessel rot.