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Klassisch pauken statt kritisch denken

Alternativer Jura-Studiengang mit konservativem Pendant verschweißt  ■ Von Ilonka Boltze

Neben dem neoklassizistischen Hauptgebäude der Juristen hat das kleine, graue, mit Graffiti übersäte Gebäude des Fachbereichs Jura II den Charme eines Provisoriums. Und der Eindruck täuscht nicht, denn hier werden noch in diesem Jahr die Kisten gepackt. Offiziell gibt es die Jura II schon seit dem 1. April nicht mehr. Sie wurde mit dem klassischen Fachbereich Jura I zusammengelegt.

Dabei begann alles Anfang der 70er Jahre noch ganz reformistisch: 1974 konnten Jura-StudentInnen erstmals entscheiden, ob sie nach altem Modell (Jura I) pauken oder lieber reformierte Rechtslehre (Jura II) betreiben wollten. „Recht nicht nur als Norm zu verstehen, sondern auch die Wirkungsweisen von Normen zu erkennen, das war unser Lehrziel“, umreißt Claus Ott, Professor für bürgerliches Recht, das damalige Ideal. Das reformierte Jura-Studium wurde um sozialwissenschaftliche, ökonomische und kriminologische Lehrinhalte ergänzt. Anstelle eines Referendariats fanden bereits ab dem dritten Semester Praktika in Anwaltskanzleien oder bei Gericht statt.

Doch obwohl schon Anfang der 80er Jahre mehr als vier Fünftel der Reform-Studierenden nach bereits sechs Jahren über das Staatsexamen mit Befähigung zum Richteramt verfügten und damit drei bis vier Jahre schneller waren als ihre KollegInnen im herkömmlichen Jura-Studiengang, wurde das einstufige Jura-Modell 1983 eingefroren. Die Idee von der Integration praxisbezogener Lehrinhalte blieb jedoch erhalten und bot bis Ende vergangenen Semesters Jura-Erstsemestern ein alternatives Studienmodell mit Dozierenden aus der Praxis.

Die jetzige Zusammenlegung ist aus der Not geboren. „Bis zur Schmerzgrenze“habe man sich bereits zusammenstreichen lassen, heißt es in beiden ehemals eigenständigen Fachbereichen. In den vergangenen Jahren wurden in der Jura-I-Bibliothek rund 30 Prozent weniger Bücher angeschafft. Im kleineren Fachbereich Jura II schrumpfte die Professorenzahl auf insgesamt zwanzig zusammen. Für Meinhard Hilf, Dekan des Fachbereichs Jura I, stand bereits der gesamte Standort Hamburg für die juristische Ausbildung auf der Kippe.

Angesichts solch düsterer Zukunftsszenarien betrachtet man die Zusammenlegung nun eher als gemeinsame Schadensbegrenzung, die die Rechtswissenschaft am Leben erhalten soll. Denn bis zum Jahr 2005 müssen – so die Sparvorgaben – die bisher 48 Professuren beider Fachbereiche auf 30 zusammengeschrumpft werden. Statt bisher 770 StudienanfängerInnen werden ab diesem Semester nur noch 720 Erstsemester zugelassen. Die „fruchtbare Konkurrenz zweier unterschiedlicher Denkrichtungen“, so meint Hilf, könnte aber dennoch erhalten bleiben. Immerhin sollen Forschungsstellen des ehemaligen Jura-II-Fachbereichs, wie etwa „Sozialrecht und Sozialpolitik“oder „Umweltrecht“, in den gemeinsamen Fachbereich integriert werden.

Die JuristInnen sind jedoch nicht die einzigen, die ab diesem Semester mit Umstrukturierungen zu kämpfen haben. Aufgrund der Empfehlungen einer externen Beratungskommission soll die Anzahl der Fachbereiche an der Hamburger Universität reduziert werden, und das gelingt eben mit Hilfe von Zusammenlegungen. Betroffen sind von diesen Plänen die Geschichtswissenschaften, die Kulturgeschichte sowie die Orientalistik und die Psychologie. „Effizienzsteigerung und mehr Transparenz“lauten die Stichworte, mit denen Unisprecher Jörg Lippert für die Zusammenlegung wirbt. Die Einsparungen seien dabei lediglich „marginal“.

Die genannten Fachbereiche sehen den Plänen ihrer Verwaltung mit gemischten Gefühlen entgegen. Geschichtsdekan Hans-Joachim Koch verspricht sich von der „Schlacht um den Haushalt“eine „bessere Koordination von Forschungs- und Lehrmitteln“. Erich Witte aus der Psychologie befürchtet hingegen inhaltliche Eingriffe in die Fachbereiche. „Wir sind mit vielen wissenschaftlichen Disziplinen verbunden. Ordnen wir uns einer unter, würden andere Elemente des psychologischen Fachbereichs verkümmern“, warnt er.

Während die Kulturgeschichte mit den Orientalisten bereits einen Zusammenschluß ins Auge gefaßt hat, wehrt sich Dekan Witte gegen eine Zusammenlegung der kleinen Fachbereiche. „Das einzige, was Sinn macht, wäre eine komplette Reorganisation aller Fachbereiche und keine Reste-Lösung.“

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