: Vogelzwitschern aus sanften Kehlchen
■ Frühling in der Lloyd-Passage: fast wie in freier Wildbahn, diese Sounds
Tirili, Tirila, in der Lloyd-Passage ist der Frühling da. Aus allen Ecken und Enden erklingen sanfte Vogelstimmen, Kirschblütenbäume säumen den Weg der KäuferInnen, das Herz lacht bei soviel Frühlingsgefühlen. Zumal auch die fiesen grauen Tauben weg sind, die einem immer auf den Kopf geschissen haben. Unzählige Nägel und Netze halten die Viecher jetzt aus der Passage raus.
Aber halt: Wenn die Tauben vergrault wurden, warum kommen dann Amsel, Drossel, Fink und Star und die ganze Vogelschar in das Lloyd-Einkaufsparadies? Zu sehen sind sie weit und breit nicht in dem langgezogenen Einkaufstunnel. Die Krux der Sache: Die zarten Stimmen sind synthetisch, kommen von einer CD. Ein reiner Werbetrick, der die KonsumentInnen zum Kaufen verführen soll. Wie gemein, mit Frühlingsgefühlen zu werben!
Doch die BummlerInnen fallen darauf rein. „Wir haben bisher nur positive Reaktionen bekommen“, sagt Ariane Bauer von der zuständigen Werbeagentur Haase und Knelz. Das Gezwitscher wird unter dem Motto „Natur in der Stadt“verkauft und soll das Frühlingsambiente in der Lloyd-Passage abrunden. Dazu wurden extra vier CDs mit Gepiepe angeschafft, die jetzt in einem CD-Spieler in beständiger Dauerwiederholung laufen. Immerhin sind es heimische Singvögel und kein schrilles Papageiengekrächze.
Ein älterer Mann ließ sich von dem Gefiepe am Freitag übrigens zu einer ganz besonderen Aktion hinreißen. Bei soviel Frühlingsgefühlen überkam es ihn, und er mußte sich einfach einen neuen Pullover kaufen. Das ging aber nur per Handy. „Ich muß erst meine Frau anrufen“, gestand er. Seit fast 50 Jahren kaufe sie jetzt schon seine Anziehsachen oder sei zumindest beim Einkauf dabei. Darum wisse er jetzt nicht, ob er „besser den roten oder den grünen Pullover kaufen soll“.
Jens Tittmann
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