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Sterile Saat soll Bauern abhängig machen

US-Forscher entwickeln Saatgut, das nur einmal keimt. Gentech-Firmen wollen Kleinbauern in Entwicklungsländern zwingen, jedes Jahr neues Saatgut zu kaufen, statt es selbst aus der Ernte heranzuzüchten  ■ Von Wolfgang Löhr

Berlin (taz) – Die neuen genmanipulierten Pflanzen des US-Unternehmens Delta & Pine Land Company könnten den Ruin für Millionen von Bauern bedeuten. Das in den Delta-Labors entwickelte Saatgut keimt nur ein einziges Mal aus. Die Bauern werden damit gezwungen, jedes Jahr neues Saatgut zu kaufen, da ihre eigene Ernte nicht mehr zur Neuaussaat benutzt werden kann. Bisher ist diese Technik nur an Tabak und Baumwolle ausprobiert worden, doch Delta geht davon aus, daß in den nächsten Jahren entsprechendes Saatgut für die wichtigsten Nutzpflanzen bereitsteht. Versuche mit Reis, Weizen, Hirse und Sojabohnen sind bereits in Planung.

Mit dieser „Terminator-Technologie“ würden vor allem die Bauern in der Dritten Welt enteignet, die über Generationen hinweg viele unserer heutigen Nutzpflanzen entwickelt hätten, befürchtet Hope Shand, Direktor bei der entwicklungspolitischen Stiftung „Rural Advancement Foundation International“ (Rafi) in Kanada. Rafi, die sich seit langem schon im Streit um die genetischen Ressourcen engagiert, fordert ein Verbot der gentechnischen Sterilität. Das patentierte Verfahren von Delta & Pine wurde in Kooperation mit dem US-Landwirtschaftsministerium (USDA) entwickelt. Das „System ist ein Selbstschutz gegen die unerlaubte Nutzung von amerikanischer Technik“, verteidigt Melvin Oliver, Forscher beim USDA, das Projekt, „es ist vergleichbar mit dem Urheberrechtsschutz“.

Das Unternehmen Delta & Pine wird vom Chemiekonzern Monsanto kontrolliert und beherrscht den Weltmarkt für Baumwollsaat. Zwar hat es das Verfahren zum Patent angemeldet, es ist jedoch vorgesehen, daß möglichst viele Saatgutzüchter das Verfahren in Lizenz anwenden. Vorwiegend in Entwicklungsländern sollen die sterilen Pflanzen eingesetzt werden, da hier die Patentgesetze nicht ausreichen würden, so ein US-Ministeriumssprecher, um die Interessen der Saatgutunternehmen zu schützen.

Um das sterile Saatgut zu bekommen, hatten die Pflanzengenetiker ein Gen in das Erbgut eingebaut, das die Keimung verhindert. Ein zweites Regulator-Gen macht es möglich, das Anti-Keimgen an- und auszuschalten. So können die Forscher den Zeitpunkt bestimmen, wann das Unfruchtbarkeits- Gen aktiviert wird. Wird es erst am Ende des Reifungsprozesses angeschaltet, verhindert es das erneute Auskeimen der Pflanzenfrüchte.

Nach Angaben von Rafi sind weltweit etwa 1,4 Milliarden Bauern auf den eigenen Nachbau ihres Saatguts und auf den Tausch mit Nachbarn angewiesen. Sie könnten es sich nicht leisten, jedesmal neues Saatgut zu kaufen. Zwar gibt es für einige Nutzpflanzenarten, wie zum Beispiel Mais und Zuckerrüben, sogenanntes Hybridsaatgut, das ebenfalls nur einmal zur Aussaat taugt, weil der Ernteertrag späterer Hybridgenerationen drastisch zurückgeht. Aber bei Reis, Weizen oder Soja wird häufig der eigene Nachbau zur Aussaat verwendet. Genaue Zahlen darüber gibt es nicht. Aber allein in den USA werden zum Beispiel bei Soja 20 bis 30 Prozent des Saatgutes aus der eigenen Ernte benutzt.

Auch für die Züchter wird die neue Technik Folgen haben: Bisher konnten die Saatgutzüchter auch auf alte Sorten zurückgreifen, um daraus Pflanzen mit neuen Eigenschaften zu züchten. Das wird mit den unfruchtbaren Pflanzen nicht mehr möglich sein. Insbesondere Bauern in den ärmeren Regionen verbessern mit dieser Methode häufig ihr Saatgut. Sie behalten von der Ernte die besten Körner zurück und kreuzen sie mit anderen Pflanzen. Die Bauern können so nicht nur Kosten beim Saatgut einsparen, sie haben damit auch die Möglichkeit, Saatgut zu züchten, das den lokalen Bedingungen angepaßt ist.

Das Delta-Patent könnte dazu führen, fürchtet Entwicklungshelfer Neth Dano, daß „Millionen Bauern über kurz oder lang ihren Broterwerb verlieren“.

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