: Mord nach Streit in Hamas?
Die palästinensische Polizei nimmt mehrere Mitglieder der radikalen Islamisten-Organisation fest. Sie sollen den Bombenbauer Sharif ermordet haben ■ Aus Jerusalem Georg Baltissen
Die palästinensischen Sicherheitskräfte haben mehrere Hamas- Mitglieder verhaftet, die im Verdacht stehen, den Bombenbauer der islamistischen Organisation, Mohidien Sharif, ermordet und anschließend mit einer Autobombe in die Luft gesprengt zu haben. Dies erklärte der palästinensische Geheimdienstchef für das Westjordanland, Jibril Rajoub, gestern in Ramallah.
Nach Angaben von Rajoub hat einer der Verhafteten die Beteiligung an der Tat gestanden. Es handele sich dabei allerdings nicht um den Mörder, der die tödlichen Schüsse auf Sharif abgegeben hat. Dieser sei weiterhin flüchtig. Der geständige Mittäter hat laut Polizeiangaben den Kleinwagen präpariert und die Bombe gezündet. Bereits unmittelbar nach der Tat am Sonntag vor einer Woche hatte die palästinensische Polizei rund 20 Hamas-Mitglieder in Haft genommen.
Aufgrund der Angaben der Festgenommenen spürte die palästinensische Polizei mehrere Sprengstofflager im Bezirk Ramallah auf. Auch zahlreiche Waffen wurden dort gefunden. Nach palästinensischen Angaben ist der Anlaß für den Mord ein Machtkampf innerhalb von Hamas, dessen Hintergründe allerdings noch im dunkeln liegen. Ein Polizeisprecher bestätigte lediglich, daß Videoaufzeichnungen und schriftliche Unterlagen über die Auseinandersetzungen innerhalb von Hamas sichergestellt wurden.
Hamas-Sprecher Rantisi, der zwei Tage zuvor den palästinensischen Geheimdienst für die Tat verantwortlich gemacht hatte, erklärte jetzt in Gaza, vor einer weiteren Stellungnahme werde seine Organisation erst die Ergebnisse der Untersuchung durch die palästinensische Polizei abwarten. Andere Hamas-Mitglieder bezeichneten die palästinensischen Untersuchungsergebnisse jedoch als irreführend.
Nach Angaben eines hohen PLO-Funktionärs, der anonym bleiben wollte, drehte sich der Machtkampf innerhalb von Hamas um politische und finanzielle Entscheidungen. Bombenbauer Sharif habe nach den beiden Attentaten in Jerusalem im vergangenen Sommer die Ezzedin-Al-Qassem-Brigaden, den militärischen Arm von Hamas, übernehmen wollen. Ob der Mord an Sharif von der militärischen Führung der Hamas in Jordanien gebilligt wurde, wollte der PLO-Funktionär nicht bestätigen.
Mit der neuen Wende im Mordfall Sharif haben sich die Angaben israelischer Sicherheitsexperten bestätigt. Diese hatten schon am Tag des Attentats einen Machtkampf in der Hamas als Hintergrund für die Ermordung vermutet. Offiziell hatte die israelische Regierung erklärt, Sharif habe sich bei der Vorbereitung eines Anschlags versehentlich in die Luft gesprengt. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erklärte gestern, die derzeitigen Festnahmen zeigten, daß die Autonomiebehörde nicht konsequent gegen die „Infrastruktur des Terrors“ vorgegangen sei. „Die palästinensische Behörde kann mehr tun, als sie bislang getan hat“, sagte Netanjahu.
Hamas hatte ursprünglich Israel für die Tat verantwortlich gemacht und mit massiven Selbstmordattentaten gedroht. Trotz des Fahndungserfolges ist die jüngste Entwicklung im Fall Sharif ein politischer Tiefschlag für die palästinensische Autonomiebehörde.
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