piwik no script img

Nachgefragt„Keine Gegenliebe“

■ Warum die bremische Kirche keine neuen Arbeitszeitmodelle wagt

Die Bremische Evangelische Kirche (BEK) muß wegen hoher Kirchenaustritte auf Abspecckurs gehen – und macht deshalb auch vor betriebsbedingten Kündigungen nicht mehr halt (wir berichteten). Gerade das aber wollen andere Landeskirchen wie die nord-elbische (Hamburg und Schleswig-Holstein) vermeiden: Sie entwickeln neue Arbeitszeitmodelle, um MitarbeiterInnen zu halten. Wir sprachen darüber mit der kirchlichen Personalvertreterin Katharina Kissling.

taz: Warum sucht die BEK nicht nach neuen Wegen?

Katharina Kissling, kirchliche Personalvertreterin: Das liegt an der Verfassung der bremischen Kirche, die den Gemeinden absolute Autonomie gewährt. Die Gemeinde stellt ein und sie entläßt auch. Deshalb gibt es nach der Anzahl der 69 Gemeinden auch 69 verschiedene Ausprägungen, wie die Kirche mit MitarbeiterInnen umgeht.

Sie fordern trotzdem neue Arbeitsmodelle?

Ja, angelehnt an die Angestelltenkammer, die bei 200 Stellen etwa 40 hätte abbauen müssen. Dann schloß sie eine Dienstvereinbarung, um alle Arbeitsplätze zu halten. Dafür wurde die Arbeitszeit für alle um neun Prozent reduziert sowie die Gehälter eingefroren. Aber so etwas ist bei unserer Kirchenleitung bisher nicht auf Gegenliebe gestoßen. Die schütteln darüber erst mal nur mit dem Kopf.

Warum?

Man muß das ganz klar so sehen: Unsere Kirchenleitung hat entschieden, sich wieder in Richtung Pastorenkirche zu bewegen. Das heißt: Die seelsorgerliche und theologische Arbeit – also die Pastorenstellen – sollen erhalten bleiben. Und alles andere wie Diakone, Gemeindesekretärinnen und Putzfrauen muß dann eben abgebaut werden. An solch eine Sichtweise ist schwer heranzukommen.

Andere Landeskirchen zeigen mehr Offenheit, wollen Überstunden parken, um so arbeitslose KirchenmitarbeiterInnen wieder einzustellen. Diese Kirchen sagen: Es gäbe trotz autonomer Gemeindestrukturen Wege, rechtliche Vereinbarungen zu treffen – wenn es denn von allen gewollt wird.

Es gäbe die Möglichkeit, so etwas in der arbeitsrechtlichen Kommission anzugehen, die für die Kirche das Arbeitsrecht gestaltet. In der Kommission sitzen dem Arbeitgeber Kirche der Verband der kirchlichen Mitarbeiter sowie die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft gegenüber.

Und die fordern gar nichts im Moment?

Nein, soweit ich weiß, nicht. Die Ereignisse überrollen wohl alle im Moment.

Und Sie als kirchliche Personalvertreterin?

Ich sitze auch in der Kommission. Aber wie soll ich das allein durchsetzen? Wir können unter dem Finanzdruck momentan ohnehin irgendwie nur agieren statt reagieren. Da kommt zur Zeit nur ein Schlag nach dem anderen.

Das heißt also triste Aussichten für die Zukunft: Pastoren predigen irgendwann ganz allein vor leeren Kirchen. Und alle anderen fristen in der Dauerarbeitslosigkeit ihr Dasein?

Überspitzt kann man das so sagen. In Bremen wird ja jetzt noch viel über Teilzeit abgefangen. Aber das sehen wir auch als negativ an, weil es nur unter Spardruck passiert. Unsere Kirchenleitung sagt zwar immer, daß viele Gemeinden ihr Sparsoll schon erfüllt haben. Aber es gibt noch viele, bei denen das noch nicht so ist und da wird es dann eben holterdiepolter gehen. Fragen: Katja Ubben

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen