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Stadtplaner in Wachstumseuphorie

■ BUND kritisiert Stadtentwicklungskonzept des Bauressorts als asphaltlastige Grundlage für Stadtvernichtung / Prognosen sehen enormen Flächenbedarf am Stadtrand und erheblich mehr Autos

Bremens Zukunft wird weiterhin aufgrund unrealistischer Wachstumsprognosen geplant. Entgegen den aktuellen Trends rechnet das Bauressort in seinem neuen Stadtentwicklungskonzept mit 40.000 zusätzlichen Einwohnern sowie 23.000 neuen Jobs und leitet daraus einen Bedarf an Gewerbeflächen von 900 Hektar ab. Das entspräche 20 mal der Fläche des Technologieparks an der Universität.

„Werden all die Flächenwünsche Wirklichkeit, sollte das Werk eher den Titel Stadtvernichtungskonzept tragen“, lästert der Vorsitzende des BUND-Bremen, Helmut Horn über die Broschüre, die Bremens Weg bis ins Jahr 2010 vorauszeichnet. Bedenklich sei, daß Bremen mit seiner Angebotspolitik von Gewerbeflächen an den Stadträndern vor allem Bremer Firmen abziehe und so die Innenstadt schwäche. „Das ist doch eine Aufforderung an die Betriebe, an den Stadtrand zu ziehen“, moniert BUND-Referent Michael Abendroth.

Der BUND kritisiert auch die „Asphaltlastigkeit“des Konzept-Entwurfes. Sämtliche Straßenbauwünsche seien berücksichtigt, so BUND-Verkehrsexperte Peter Müller, der Ausbau des Straßenbahnnetzes komme dagegen zu kurz. Insgesamt werde der Plan den selbstgesteckten Zielen einer nachhaltigen, umweltverträglichen Stadtentwicklung nicht gerecht.

Das Bauressort hat die Broschüre zwar mit anderen Ressorts erarbeitet, das Heft aber ohne vorherige Abstimmung im Senat veröffentlicht. Neben den Flächenprognosen werden hier unter anderem mögliche Bürostandorte aufgelistet, die Ortsteilzentren definiert und Räume für Freizeit angeführt. Zentrales Element dabei ist die Weser als wichtigste Entwicklungsachse der Stadt. Ende des Jahres soll die Landesregierung dann ein in öffentlicher Diskussion modifiziertes Konzept beschließen. Später sollen die Vorgaben in einen neuen Flächennutzungsplan einfließen. Der alte FNP stammt von 1983.

Weil den Planern aber die offiziell verordneten Wachstumserwartungen offenbar nicht ganz geheuer waren, findet sich in der Hochglanzbroschüre auch eine Größe „Ziel 1“: Hier wird davon ausgegangen, daß die Bremer Wirtschaft nur im Bundesdurchschnitt wächst und dabei 6.000 zusätzliche Arbeitsplätze entstehen. Aber auch für diesen Fall kommen die Planer – inklusive einer Sicherheitsreserve von 60 Prozent vom eigentlichen Bedarf – auf einen langfristigen Gewerbeflächenbedarf von 636 Hektar. „Diese Mengengerüste sind alle auf Arbeitsplatzargumenten aufgebaut“, sagt Abendroth, „da kann dann keiner was sagen“. Bremen könne sich eine so teure Angebotspolitik aber nicht leisten.

In anderen Bereichen des Stadtentwicklungskonzepts sehen die Umweltschützer aber durchaus Fortschritte. So seien auch innerstädtische Industriebrachen zur neuen Nutzung vorgesehen und ein Grün- und Freiraum-Konzept formuliert worden. Das Problem sei aber, daß Grünflächen an keiner Stelle konkret festgeschrieben seien, sagte BUND-Mann Martin Rhode. Außerdem finde sich keine Antwort, wie Defizite bei der Grünversorgung – etwa im Bremer Osten – zu beheben seien. Stattdessen solle die Osterholzer Feldmark bebaut werden.

Ein Bahnanschluß findet sich nicht im Konzept. So setzt das Bauressort mit seinen Prognosen weiter auf das Auto. Egal, in welchem Umfang Bremen wächst: Im Jahr 2010 werden von 1000 Bremern 559 einen PKW besitzen. Heute sind es 434. Joachim Fahrun

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