: Ein weiblicher Idealfall
■ Mit "Ally McBeal" schafft das Genre Anwaltsserie den Sprung in die 90er - möglicherweise, weil sie vom "Picket Fences"-Erfinder David E. Kelly ausgedacht ist (mittwochs, 21.10 Uhr, Vox)
Ich mag Voiceover. ... diese eingesprochenen Kommentare, wissen Sie? Wenn... wenn Thomas Magnum zum Beispiel, also, ich meine seine deutsche Stimme... na, wie heißt der noch: Norbert Langer? Ist auch egal. Wenn der so einen typischen Magnum-Satz seufzt wie zum Beispiel: „... ich weiß, was Sie jetzt denken“ – oder in „Die besten Jahre“ oder wie das heißt, dieser Fifties-Nostalgiekitsch, Sie wissen schon: auch mit 'nem Langer-Voiceover und komplett überflüssig, aber beim Zappen bleibt man doch hängen.
Wissen Sie, solche Serien... wie soll ich das sagen... ich meine, auf die kann man sich einfach verlassen... vom Sendeplatz her – und Besetzung und Dramaturgie sind überschaubar. (Ich weiß, das sind sie bei „Forsthaus Falkenau“ auch oder bei Ulrich Meyers „18:30“- Nachrichten.) Voiceovers aber begleiten einen durch die Episode, und Voiceover-Serien sind wie... wie Schaumbad oder na ja, wie einen Hund streicheln... Jahr um Jahr... man tut's immer wieder... man muß nicht, aber man tut's.
Schön und gut, werden Sie vielleicht sagen, aber „Magnum“ oder „Die besten Jahre“ ...das ist nichts Neues; typisch 80er Jahre irgendwie und – was Gesellschaftsbild und Plot betrifft – auch genauso „neoreaktionär“. (...na schön, genauso „langweilig“, wenn Ihnen das besser gefällt.) Aber... was wollte ich eigentlich sagen? Ach ja: „Ally McBeal“! Ally McBeal ist eine junge Anwältin und... ich weiß, was Sie jetzt denken: „Anwaltsserie“, denken Sie und ...na, wie heißt noch mal diese senile „Ich hol dich hier raus“-Filzlocke auf Pro7? „Matlock“, genau.
Aber sehen Sie: „Das Model und der Schnüffler“ mit Cybil Shepard und Bruce Willis in den Titelrollen... erinnern Sie sich? Das war schließlich auch eine Detektivserie. „Moonlighting“ hieß die im Original, und das bedeutet „Nebenjob“ oder so. Und je länger die Serie lief, um so mehr wurde die jeweilige Schnüfflerepisode selbst zum Nebenjob, und die Macher machten statt dessen ganz verrückte Sachen: ganze Folgen, die nur geträumt waren und so Zeug. Oder „Star Trek“: Im Grunde ist es doch komplett egal, ob das 'ne Science-fiction-Serie ist.
Na ja, und Ally McBeal ist eben eine junge Anwältin, die plötzlich mit ihrer inzwischen glücklich verheirateten Ex-Jugendliebe Billy in derselben Kanzlei arbeitet. Und ihre Brüste zu klein findet. (Ally und Billy, ziemlich silly eigentlich.) Außerdem ist Ally McBeal, also die Darstellerin Calista Flockhart, ziemlich hübsch, und „Ally McBeal“, die Serie, ist ziemlich hübsch anzuschauen.
Klar, daß das nicht von ungefähr kommt. Und nicht nur vom Voiceover. Ally wurde immerhin vom „Chicago Hope“- und „Picket Fences“-Erfinder David E. Kelley extra für den amerikanischen Montagabend ersonnen. Angeblich, damit die US-Fernsehzuschauerinnen montags nicht Football gucken müssen. So eine Art „Brigitte TV“ als Serie also... jedenfalls, wenn's statt „Brigitte TV“ „Allegra TV“ wäre. Aber darum geht's ja auch gar nicht. Oder doch? Egal.
Deshalb will ich auch gar nicht von Political Correctness reden. Das ist, wie wenn man „Amerika“ sagt, und die Leute denken sofort „Rauchverbot“, statt an Woody Allen, Hillary Clinton oder... ja, „Atomic Fireballs“, was nicht etwa atomare Feuerbälle sind, sondern Süßigkeiten. Na ja, und wenn man dann doch davon anfängt, daß Political Correctness nichts Schlimmes sein muß und „Ally McBeal“ ein Beweis dafür ist usw.... hört kein Mensch mehr zu.
Die gute Ally übrigens läßt ihren Gedanken nicht nur akustisch freien Lauf, sondern auch visuell. Morphing-Software macht's möglich... Anfangs ist das noch etwas mühsam, wenn Ally zum Beispiel über ihre Sekretärin Elaine sagt: „Bei solchen Leuten stelle ich mir vor, wie ihnen der Kopf anschwillt“, und währenddessen Elaines Kopf anschwillt. Später... später dann schwillt Elaines Kopf auch ohne Kommentar. Dann ist es witzig. Doch, wirklich. Das ist es. Und wenn Ihnen heute ein Hund freundlich mit der Schnauze gegens Knie stupst, was würden Sie tun? Ihn kraulen? Na, seh'n Sie. Christoph Schultheis
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen