: Ein Referendum als Vorwand
■ Die serbische Bürgerrechtlerin Sladjana Mandić zur Kosovo-Abstimmung
taz: Was denkt die serbische Öffentlichkeit zum Thema Kosovo?
Sladjana Mandić: In den letzten Wochen ergaben Meinungsumfragen, daß 40 Prozent der Befragten meinen, die albanische Bevölkerung Kosovos solle ausgewiesen werden. Insgesamt wollen sie keine Änderung der Politik gegenüber Kosovo. Dabei ist ein Großteil der Bevölkerung durch die Regierungsmedien manipuliert. Hier haben wir ein großes Medienproblem. Die einzigen Radio- und Fernsehsender, die im ganzen Land zu empfangen sind, liegen in Händen der Regierung.
Was unternimmt die Demokratie- und Friedensbewegung?
Wir versuchen, Leute aus dem Kosovo, Montenegro und Serbien zu gemeinsamen Aktivitäten zusammenzubringen. Es ist sehr schwer, Demokratiearbeit zu machen, gerade als NGO, während der Konflikt so stark ist. Meine Organisation versucht, Studenten und andere junge Leute aus Kosovo und Serbien in Demokratieseminaren zusammenzubringen. Die Studentenunion aus Belgrad hat zudem gute Kontakte zu albanischen Studentenorganisationen in Priština. Sie sind auch dorthin gefahren und haben die albanischen Studenten in ihrem Protest unterstützt. Weitere Aktivitäten sind geplant.
Was erwarten Sie vom bevorstehenden Referendum?
Das Referendum ist Zeitverschwendung. Und Zeit will die Regierung gewinnen. Viel wird von der genauen Fragestellung abhängen, z.B.: „Sind Sie für Intervention oder Mediation?“ Das Referendum ist zugleich eine große Manipulation. In den nächsten Wochen wird nur über das Referendum geredet und die öffentliche Meinung geformt werden. So wird eine Mehrheit gegen jegliche internationale Einmischung stimmen.
Wird sich die serbische Politik nach dem Referendum ändern?
Das Ergebnis wird der Regierung die Möglichkeit geben, verstärkt Polizeieinsätze im Kosovo durchzuführen. Zugleich kann das Referendum eine Vorbereitung der Bevölkerung auf einen möglichen offenen militärischen Konflikt dort sein.
Und wie sollte die Internationale Gemeinschaft (re)agieren?
Die Mediation der OSZE ist gut und wird viel helfen. Es wäre vernünftig, starken internationalen Druck auf die Regierung auszuüben. Daneben sollte es viel Mediation geben. Und sollte es dieses Mal zum ernsten Konflikt kommt, muß die Internationale Gemeinschaft sofort reagieren, um vorallem bewaffnete Konflikte zu stoppen. Ich glaube, es sollten, wenn nötig, sogar Sanktionen verhängt werden – dann aber, um es zu betonen, solche, die die Regierung und nicht die normalen Leute treffen, so sollten z.B. serbische Bankguthaben im Ausland gesperrt werden. Aber keine kulturellen und wirtschaftlichen Sanktionen, da diese nur die Bürger treffen. Interview: Jens Augner
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