: Das Gespenst der Ökosteuer
■ 150 Jahre nach Auftauchen des Gespenstes "Kommunismus" in Europa hat die Betonfraktion in den Unionsparteien ein neues ausgemacht. Sein Name: "Ökosteuer" Von Eike Hemmer
Von Eike Hemmer
Nach dem wüsten Geholze im eigenen Lager haben die Spitzen der Unionsparteien mühsam versucht, die Risse im Streit um höhere Energiebesteuerung zu kitten. Die Generalsekretäre Peter Hintze (CDU) und Berndt Protzner (CSU) lehnten in einer gemeinsamen Erklärung nationale Alleingänge ab. Statt dessen würden sich beide Parteien für eine europaweit abgestimmte, harmonisierte und aufkommensneutrale Energiebesteuerung einsetzen. Hintze und Protzner kündigten ein gemeinsames Programm für die Bundestagswahl an.
Zuvor hatte Unions-Fraktionschef Wolfgang Schäuble (CDU) die Bruderpartei scharf angegriffen. Er warf der CSU vor, sie gefährde mit der Ablehnung seines Energiesteuerkonzeptes die Chancen bei der Bundestagswahl. Protzner stellte klar, daß die CSU Schäubles Konzept nicht mittragen würde: „Gerade im Wahljahr sollten Vorschläge von Unionsseite klar unterscheidbar von den wahnwitzigen Vorstellungen von Rot-Grün sein.“ Für die CSU könne Harmonisierung „nur bedeuten, daß in anderen EU-Staaten die Steuern heraufgesetzt werden – nicht aber in Deutschland“.
„Im Regierungslager sind sie so durcheinander“, kommentierte SPD-Parteichef Oskar Lafontaine diesen Kompromiß, „daß sie sich nicht mehr an die eigenen Beschlüsse erinnern.“ In der Regierung würde die SPD die Arbeit verbilligen und die Abgaben auf den Umweltverbrauch schrittweise erhöhen. Der Umweltsprecher der SPD-Fraktion, Michael Müller, sprach gar von einer „historischen Notwendigkeit“ für die ökologische Steuerreform.
Die Grünen, die mit ihrem Vorstoß für eine höhere Benzinbesteuerung den Stein ins Rollen gebracht hatten, schöpfen inzwischen wieder Mut. Ihre Bundesvorstandssprecherin Gunda Röstel sprach sich für eine Ökosteuer auch im nationalen Alleingang aus, wenn ihre Einführung in Europa gleichzeitig nicht möglich sei.
Im Chor der Befürworter melden sich auch die Gewerkschaften zu Wort. Ausdrücklich begrüßte der IG-Metall-Vorsitzende Klaus Zwickel den Energiesteuerstreit. „Alle Parteien kommen in Bedrängnis und müssen sich für oder wider eine konsequente Umweltpolitik entscheiden – dem Wahlkampf und den Grünen sei Dank.“ Zwickel rechnet als Ergebnis einer Ökosteuer mit 600.000 neuen Jobs in Deutschland durch einen Nachfrageschub bei Umweltprojekten und Ökodienstleistungen. Auch die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft forderte eine sozialökologische Steuerreform.
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