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AnalyseIdee ohne Fundament

■ Die Baubranche im Abwärtstrend. Ein Grund für Lohnsubventionen?

Wenn es Gewerkschaftern in krisengeschüttelten Zeiten darum geht, mediale Aufmerksamkeit zu erhaschen, sind ihnen selbst abstruse Vorschläge recht. Ein solcher jedenfalls machte gestern Klaus Wiesehügel. Der Chef der BAU-Gewerkschaft fordert flächendeckende Lohnsubventionen für Bauarbeiter in Ostdeutschland. Lohnkostenzuschüsse von 25 bis 30 Prozent sollten sowohl für neueingestellte Arbeitslose als auch für ganze Branchen gewährt werden. Zwar liegen die Tariflöhne mittlerweile bei 90 Prozent der Westeinkommen, die effektiven Jahreseinkommen aber betragen erst 70 Prozent, begründet Wiesehügel. Die Lohnsubventionen kurbelten Binnennachfrage und Investitionen an und stimulierten zudem den Arbeitsmarkt.

Mit seiner Forderung schwebt der Gewerkschafter weit über der Wirklichkeit. Daß die Baubranche im Osten kein 13. Monatsgehalt zahlt und sich auch beim Urlaubsgeld zurückhält, ist bekannt. Deswegen kommt der Ost-Bauarbeiter nicht auf das vergleichbare Jahreseinkommen-West. Diesen Mangel soll also der Steuerzahler ausgleichen. Warum eigentlich?

Lohnsubventionen werden die Nachfrage nicht stimulieren. In der Baubranche gingen im vergangenen Jahr 90.000 Jobs verloren. Die Auftragseingänge sinken – in den neuen Bundesländern um 13,7 Prozent. Etwa 1,2 Millionen Menschen finden in der Bundesrepublik im Bauhauptgewerbe eine Arbeit. Noch. Etwa 100.000 von ihnen werden in diesem Jahr ihren Arbeitsplatz verlieren, denn die Förderprogramme „Deutsche Wiedervereinigung“ sind ausgelaufen.

Noch etwas hat Wiesehügel außer acht gelassen: Viele Beschäftigte im Osten bringen ihren Lohn bereits mit. Unternehmen bekommen unter bestimmten Bedingungen ein Jahr lang bis zu 2.160 Mark im Monat für jeden Arbeitslosen, den sie einstellen. Die Geförderten müssen nicht lange arbeitslos sein, es genügt, wenn sie „von Arbeitslosigkeit bedroht“ sind. Ein Recht auf diese Lohnsubventionen gibt es nicht. Aus gutem Grund – denn sonst dürften auch Firmen, denen es passabel geht, die Subventionen mitnehmen. Wenn Wiesehügel dies trotzdem verlangt, übersieht er die europäische Rechtslage. Eine flächendeckende Subventionierung käme einer im EG-Vertrag nicht gestatteten Wirtschaftsförderung gleich. Das Wettbewerbsrecht erlaubt die Förderung einzelner Arbeitnehmer, nicht aber ganzer Branchen.

Wiesehügel präsentiert eine unreife Idee. Sinnlos, nach den Kosten zu fragen, die sie verursachen würde. Warum sagt er so etwas? Möglicherweise will er den ostdeutschen Kollegen zeigen, daß er sie nicht vergißt, wenn er heute in der entscheidenden Tarifrunde für die westdeutschen Bauarbeiter 4 Prozent mehr Lohn verlangt. Absurde Logik. Annette Rogalla

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