: Politisch korrekter Ertragsausfall
■ Hamburgs SozialmieterInnen sollen künftig Kaution zahlen
Glaubt man Michael Pistorius, dann ist die Elbmetropole ein Kleinod für Mieter in Sozialwohnungen: „Hamburg“, runzelte der Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Hamburgischer Wohnungsunternehmen (AHW) gestern die Stirn, „ist das einzige Bundesland, das keine Kaution auf Sozialwohnungen zuläßt“. Das muß sich ändern, forderte der Chef der AHW, in der die städtischen Wohnungsunternehmen Saga und GWG sowie diverse Genossenschaften zusammengeschlossen sind.
Überall sonst in der Republik sei es gesetzlich gestattet, auch von Sozialmietern bis zu drei Monatsmieten Kaution zu verlangen – zur Absicherung gegen Schäden, die zu beheben sich der Mieter weigert. „Mit der Auflage“, daß öffentliche Wohnungsbau-Fördermittel nur erhält, wer keine Kaution verlangt, breche Hamburg Bundesrecht. Die Wohnungsunternehmen hätten zunehmend mit „Vermietungsschwierigkeiten und Ertragsausfällen“zu kämpfen. Weil die Mieter für Schäden finanziell nicht belangt werden könnten, entstünden erhebliche Kosten.
Für seine Forderung erntete Pistorius gestern Schelte von allen Seiten. Die Baubehörde, zuständig für die Kautionsregelung, stellte fest: „Sozialmieter zahlen in Hamburg keine Kaution. Daran wollen wir festhalten.“Nur sie könnte die bestehenden Richtlinien ändern.
Das jedoch, argumentierte die Sozialbehörde, könnten sich viele Mieter gar nicht leisten. Folglich müßte die Stadt diese Kosten übernehmen und würde der Haushalt „stärker belastet“. Anstatt den Wohnungsunternehmen Kaution „im voraus auf Halde“zu zahlen, wolle man „lieber eine Bürgschaft für Wohnungsschäden von Sozialhilfeempfängern“übernehmen.
In Hamburg gibt es rund 150.000 Sozialwohnungen und 82.000 Haushalte, die von der Sozialhilfe abhängig sind. Angesichts dieser Verhältnisse sei „die Kaution eine Frechheit“, empörte sich Helmuth Schmidtke vom Arbeitskreis Wohnraumversorgung. Sollte sie dennoch zulässig werden, „sind die Geringverdienenden und Armen von einem weiteren Teil des Wohnungsmarkts ausgeschlossen“. Oder müßten womöglich einen Kredit aufnehmen, schwant es Susanne Uhl, der wohnungspolitischen Sprecherin der GAL. Wenn der AHW schon auf andere Bundesländer verweise, solle er lieber die dortigen geringeren Eingangsmieten auch für Hamburg fordern.
Eve Raatschen, Juristin bei Mieter helfen Mietern, hält eine Sozialkaution für „überzogen“: In der Kostenmiete für den sozialen Wohnungsbau sei das „Mietausfallwagnis“bereits miteingerechnet.
Mit Befremden reagierte selbst die Saga – trotz Mitgliedschaft in der AHW: Die Forderung, beharrte Sprecher Reinhold Ostendorf, „ist nicht mit uns abgesprochen. Das wollen wir nicht.“Und GWG-Geschäftsführer Michael Sachs versicherte: „Wir erheben keine Kaution. Das ist politisch so gewollt.“
Heike Haarhoff
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen