: Keine Reform in Sicht
■ Staatsbürgerschaftsgesetz in Lettland weiter strittig. Schweden soll in der Krise vermitteln
Stockholm (taz) – Zu einem Blitzbesuch flog Schwedens Ministerpräsident Göran Persson gestern nach Lettland, um in der schweren außenpolitischen Krise des Landes zu vermitteln. Wie vom Außenministerium in Stockholm zu erfahren war, geht die Reise und die Sondierung möglicher Vermittlungsinitiativen auf eine Bitte des lettischen Präsidenten Guntis Ulmanis zurück. Schweden soll offenbar nicht nur Richtung Moskau zu besänftigen versuchen, sondern auch etwas für das beschädigte Renommee Lettlands im Westen tun. Gestern wurde ein Brief von US- Präsident Bill Clinton an seinen lettischen Kollegen bekannt. Darin betont Clinton, er schätze es sehr hoch ein, daß Lettland beabsichtige seine strengen Staatsbürgerschaftsgesetze aufzuweichen.
Doch genau hierauf hat sich die Regierung trotz entsprechender Ankündigung bislang nicht einigen können. Bis auf eine Minimalregelung, wonach nach der Selbständigkeit in Lettland geborenen Kindern russischer Eltern mit 16 die Staatsbürgerschaft erhalten sollen, gibt es in der jetzigen Koalition offenbar keine Mehrheit, das Mitbürgergesetz grundlegend zu reformieren. Alle Vorschläge der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und der EU lehnte die lettische Regierung bislang ab.
Während die Mittepartei „Saimnieks“ und die konservative Partei „Lettlands Weg“ sich zumindest gewisse Erweiterungen der Quotenregelung – es können jährlich nur bestimmte Jahrgänge und einige tausend der knapp 700.000 RussInnen eingebürgert werden – vorstellen können, befürworten Ministerpräsident Guntars Krasts und seine rechtsnationalistische Partei „Vaterland und Freiheit“ sogar eine Verschärfung der Regelungen. „Uns gefallen diese ausländischen Vorschläge nicht, und wir lassen uns nicht unter Druck setzen“, ließ Krasts wissen.
„Saiminieks“ ist aus der Koalition ausgeschieden und versucht, eine eigene regierungsfähige Mehrheit im Parlament zusammenzubekommen. Diesem Versuch werden in Riga nur geringe Chancen eingeräumt. In den lettischen Medien wurde gestern vielmehr spekuliert, daß eine Vorziehung der für Oktober anstehenden Parlamentswahlen die einzige Möglichkeit sein dürfte, aus der Krise herauszukommen. Reinhard Wolff
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