"Jetzt ist der gesamte Bau Jüdisches Museum"

■ Nicht mehr auf eine Abteilung im Untergeschoß beschränkt: Direktor Michael Blumenthal über das neue Konzept des Museums im Libeskind-Bau

taz: Sie sind erfolgreicher Ökonom und Wirtschaftsmanager, waren Finanzminister unter Präsident Carter. Nur Museumsdirektor sind Sie noch nicht gewesen. Was qualifiziert Sie für den Posten?

Michael Blumenthal: Ich habe mich in meinem Leben immer wieder in Situationen befunden, in denen ich bei Projekten helfen und mitarbeiten konnte, in denen ich kein Experte war. Und ich habe im Laufe der Jahre gelernt, daß man davor keine Angst zu haben braucht. Man muß genug Selbstvertrauen haben, um sich die verschiedenen Standpunkte anzuhören, man muß viel lesen, viel studieren und versuchen, sich in die Probleme einzufühlen. Und dann mehr oder weniger auf der Basis des gesunden Menschenverstandes handeln. Ein neues Museum ins Leben zu rufen ist nicht viel anders, als ein neues Unternehmen zu gründen. Das habe ich schon gemacht, jetzt spielt sich das in einem anderen Bereich ab, dem Bereich des Museums und der Kunst. Und das ist aufregend.

Bleibt die Frage, wer für die museologische Kompetenz sorgt. Wer sind Ihre Berater?

Bis jetzt haben wir nur zwei Mitarbeiter, die Fachleute sind. Aber das ist ja nur der Anfang. Wir brauchen Kuratoren. Meine Aufgabe ist, die richtigen zu finden. Danach habe ich nicht mehr viel zu tun.

Es gibt schon einige Konzepte zur Gestaltung der Dauerausstellung im Libeskind-Bau. Sind die überflüssig geworden?

Einige ja, einige nein. Wir sind gerade dabei, uns zu überlegen, welches wir nehmen wollen. Es gibt Ansätze, mit denen wir arbeiten können.

Geplant war, die jüdische Abteilung ins Untergeschoß zu verlegen.

Das ist natürlich hinfällig. Jetzt ist der gesamte Libeskind-Bau das Jüdische Museum. Es gibt keine jüdische Abteilung mehr, sondern ein separates Museum für deutsch- jüdische Geschichte.

Die Autonomie, die das Jüdische Museum jetzt erhalten soll, hat auch schon Ihr Vorgänger gefordert, damals allerdings ohne Erfolg. Was haben Sie besser gemacht als Amnon Barzel?

Es geht nicht darum, wer was besser oder schlechter gemacht hat. Die Zeiten haben sich geändert, meine Möglichkeiten waren andere. Vieles von dem, was wir verhältnismäßig schnell erreicht haben, war nur möglich, weil die Gespräche meines Vorgängers bereits stattgefunden hatten. Natürlich hat es mir geholfen, daß alle Beteiligten der dauernden Querelen müde waren.

Es wurde bisher viel von einem „integrativen Modell“ gesprochen. Ist das noch aktuell?

Dieser Begriff ist, soweit ich ihn verstehe, nicht nur gebraucht, sondern mißbraucht worden. Denn es war nicht nur Ausdruck für das Ausstellungsmotiv, sondern ein organisatorisches Prinzip. Man sprach von einem integrativen Modell, weil man damit begründen wollte, daß es kein autonomes Jüdisches Museum geben sollte. Das eine hat aber mit dem anderen nichts zu tun. Wenn man mit integrativ meint, daß die Geschichte der Juden in Deutschland über die Jahrhunderte nur in Verbindung mit deutscher Geschichte selbst zu zeigen ist, dann bin ich vollkommen für ein integratives Modell.

Ihr Vorgänger Amnon Barzel wollte mit Ausstellungen zeitgenössischer Kunst Besucher anlocken, die sich nicht von vornherein für jüdische Kultur interessieren. Welche Wunschvorstellung haben Sie von einem Jüdischen Museum?

Ein Museum wie dieses soll die Geschichte der deutsch-jüdischen Beziehungen zeigen, und zwar bis in die Gegenwart, auf allen Gebieten, inklusive der Kunst. Daß viele Menschen dorthin kommen, die nicht primär von dem Jüdischen angezogen sind, sehe ich als höchstwahrscheinlich an. In diesem Sinne stimme ich mit Barzel überein.

Wie hoch wird der Etat Ihrer Meinung nach sein müssen?

Bis jetzt hatte sich das Parlament nur mit dem Etat des Stadtmuseums befaßt. Nun muß es den separaten Etat des Jüdischen Museums festlegen. Ich verstehe sehr gut, daß das Geld knapp ist, auch für das Jüdische Museum. Aber man kann nicht einerseits 120 Millionen Mark ausgeben für einen neuen Bau, der in der ganzen Welt Aufsehen erregt, und andererseits nicht die nötigsten Gelder dafür aufbringen, diesen Bau auch zu bespielen. Das wird ein Punkt sein, den wir in den nächsten Wochen sehr ausführlich und sehr energisch besprechen müssen.

Amnon Barzel ist von einem Finanzbedarf von etwa sechs Millionen Mark pro Jahr ausgegangen.

Ich weiß wirklich noch keine genauen Zahlen, aber ich kann mir nicht vorstellen, daß es weniger sein wird. Allein der Unterhalt des Gebäudes wird auf ungefähr vier Millionen Mark geschätzt. Bei sechs bis sieben Millionen Mark bliebe wenig Geld übrig, um Ausstellungen zu machen.

Sie wollen für die Finanzierung des Museums auch den Bund in die Pflicht nehmen. Das hat der Berliner Senat in der Vergangenheit immer abgelehnt. Wird es also bald wieder Streit geben?

Im Gegenteil, meine Freunde in der Kulturverwaltung haben mir viel Glück gewünscht. Es wäre doch auch unsinnig: Warum sollte sich Berlin dagegen sträuben, daß auch andere sich finanziell am Jüdischen Museum beteiligen?

Das Museum soll 1999 eröffnet werden. Wie realistisch ist dieser Termin aus Ihrer Sicht?

Wenn wir es schaffen, dann wird es Ende 1999. Aber die Zeit wird knapp. Interview: Ulrich Clewing