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Für Bayerns Politprominenz „ist Bonn weit weg“

■ Der CSU ist ihr eigenes – bayerisches – Profil für den Landtagswahlkampf wichtiger

Manchen Menschen schlägt wechselhaftes Wetter aufs Gemüt. Und vielleicht war es ja das letzte Aufbäumen des Winters, ein plötzliches Schneegestoiber in der Nacht auf Dienstag, welches einige wichtige Männer in der bayerischen Staatskanzlei zu wahltaktisch schwer durchschaubaren Äußerungen getrieben hat – zu einer Debatte über das schwindende Erbe des Kanzlers Helmut Kohl.

Eine Debatte, die sich die Union getrost noch bis nach der Bundestagswahl hätte aufsparen können. Aber nicht so der Staatssekretär aus dem Münchner Wirtschaftsministerium, Hans Spitzner (CSU). Schäuble, erzählte dieser der Süddeutschen Zeitung, sei „von allen guten Geistern verlassen“, seinen „Kompromißkurs“ der Bonner Opposition gegenüber werde man sich nicht mehr gefallen lassen. Schäuble wolle die CSU gar zum bayerischen Landesverband der CDU machen. Für Spitzner steht dabei viel mehr auf dem Spiel als die schnöde Kanzlerfrage: „das Selbstwertgefühl Bayerns“. Und das ist angeschlagen. In Bayern möchte man halt gerne gefragt werden, wenn Entscheidungen anstehen – selbst dann, wenn keine anstehen.

„Von allen guten Geistern verlassen“

In der CSU bemüht man sich jetzt um Schadensbegrenzung. Im Umfeld des Vorsitzenden der CSU- Landtagsfraktion, Alois Glück, herrscht Unverständnis über die harsche Kritik an Wolfgang Schäuble. Die Landtagsfraktion sei niemals „Anti-Schäuble“ gewesen. Erklären ließe sich die erhitzte Debatte vielleicht mit der eingegrenzten Sichtweise der Partei: Die CSU blicke eben „eher auf ihren eigenen Bereich“, denn „Bonn ist weit weg“. Und Sachsen-Anhalt? „Ach ja, Sachsen-Anhalt gibt es ja auch noch.“ Also will sich die CSU auf Teufel komm raus für ihren Landtagswahlkampf profilieren? Das mag vielleicht der Grund sein, aber was Wolfgang Schäuble damit zu tun haben soll, das muß auch den Menschen in der CSU-Landtagsfraktion erst einmal jemand erklären.

Seit Dienstag wird nun zurückgepfiffen. Der Nachrichtenagentur AP erklärte Glück, hinter einer Kritik an Schäuble stecke „weder eine Strategie noch die Meinung führender Köpfe der CSU“. Womit er dem CSU-Vize Ingo Friedrich einmal deutlich gesagt hat, was er von ihm hält. Dieser hatte Schäuble noch am Wochenende in seiner Rolle als „Kronprinz demontieren wollen und damit Glücks Reaktion herausgefordert. Und den Äußerungen von Staatssekretär Spitzner sei „zu entnehmen, daß er die aktuelle Nachrichtenlage dazu nicht kennt“.

Ganz glücklich mit Schäuble ist allerdings auch Glück nicht, was aber nicht an dessen Person liegt. Nach Kohl, so Glücks Einschätzung, gebe es einfach keinen CDU- Politiker mehr, der die CSU wirklich begreife, der ihr so nahestehe wie der amtierende Kanzler. Manchmal sei Schäuble wie eine Sphinx: Man wisse nie recht, worauf er hinauswolle. Eine Einschätzung, die dieser Tage auch sehr gut auf die CDU paßt.

Spät und knapp trudelte gestern vormittag auch noch die Stellungnahme des bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (CSU) ein: „Die Union geht mit dem Bundeskanzler Helmut Kohl an der Spitze in den Bundestagswahlkampf. Deswegen ist jegliche Personaldiskussion innerhalb der Union nicht nur sinnlos, sondern auch schädlich.“ Und auch der Münchner Schnee, so überraschend er nachts aufgetaucht, ist schon wieder geschmolzen. Stefan Kuzmany, München

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