: Jetzt aber Shell!
Unser Joschka läuft in Hamburg seinen ersten Marathon – von und mit Sponsor Shell. Schafft's der knackige 50jährige? Es fiebert ■ Silke Mertins
Gott hat den Mann mit mancherlei gestraft: Mit Haaren auf dem Oberkörper, mit Bartwuchs, mit Brustlosigkeit. Mit den Jahren kommen zudem noch ein zurückweichender Haaransatz und eine beachtliche Wölbung über der Gürtellinie hinzu. Grünen-Gallionsfigur Joschka Fischer, dessen Haupthaar im wesentlichen noch vollzählig zu sein scheint, ist lebender Beweis für die Auflehnung des Mannes gegen sein Schicksal. Den Bauch hat er im Schweiße seines Angesichts abgetragen; er läuft und läuft und läuft.
Und er läuft auch in Hamburg: Am Sonntag, und zwar seinen allerersten 42,195-Kilometer-Lauf – den Shell-Marathon. Daß er künftig mit dem Benzinkonzern eine Fünf-Mark-Kampagne starten und mit einem entsprechenden Schild von Tankstelle zu Tankstelle joggen will, ist jedoch unwahr. Wahr ist hingegen, daß er sportliche Ertüchtigung ohne Fußball „früher immer langweilig fand“. Inzwischen jedoch, und besonders morgen beim Massen-Marathon, sieht er sich als „Volksläufer“.
Der mit dem Volk rennt, hat sich den ganzen Winter über vorbereitet. Nach den strengen Trainingsplänen keines Geringeren als des EM-Dritten im Marathon-Lauf von 1986, Herbert Steffny, hat unser Joschka 700 Kilometer abgehechelt. 30 Kilo hatte Fischer schon vorher abgenommen, „nur für die letzten fünf Kilo bin ich verantwortlich“, sagte Steffny. Außerdem hat er dem Frankfurter Ex-Sponti beigebracht, auf seine Pulsfrequenz und andere Stimmen, die von innen kommen, zu achten. In dreieinhalb Stunden könnte sein Schützling es wohl schaffen.
Running Joschka selbst ist höchst bescheiden. „Mein Ziel heißt: aufrecht ankommen.“Was auf den letzten zehn Kilometern mit ihm passiere, wisse er nicht. „Das erste Mal ist was ganz besonderes.“Er habe auch schon „den Mann mit dem Hammer erlebt“. Der will einen dann wohl am Durchhalten hindern. Jedenfalls „laufe ich wie Tausende andere – vor allem gegen mich selbst.“
So richtig begeistert sind seine Mit-Grünen darüber nicht. Was, wenn statt der Bilder von einem knackigen 50jährigen plötzlich die eines schnaufenden, mühsam sich dahinschleppenden Fischers in deutsche Wohnzimmer hineingetragen werden? Sind solche „Qualbilder“im Wahljahr etwa schön?
Fischer beugt ein bißchen vor. Er verrät nicht, was er anzuziehen gedenkt. Grünes T-Shirt, rote Shorts vielleicht? Oder eine enganliegende gelb-rote (Shell-Farben) Läuferhose, auf daß man seine unrasierten Beine nicht sieht? Oder ein Netzhemd? „Weiß ich noch nicht“, ziert er sich. Einziger Hinweis bleibt also: Er trägt die Startnummer 50.
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