■ Die unendliche Bremer Geschichte um die Entschädigungen: Nichts als „Handlungsdruck auf den Bund“
„Sollte sich die Bundesregierung aus diesem Thema herauswinden, dann sage ich Ihnen vor diesem Hause, daß wir Bremer und Bremerhavener Sozialdemokraten nicht ruhen werden.“Salbungsvolle Worte fand der heutige Arbeitssenator Uwe Beckmeyer (SPD) vor der Bremischen Bürgerschaft in der Debatte um die Entschädigung für Opfer des Nationalsozialismus. „Die Zeit des Abwartens ist endlich abgelaufen.“Am Ende beschloß das Bremer Parlament, von der Bundesregierung eine Bundesstiftung zu fordern. 250 Millionen Mark sollten Bund, Länder und Firmen, die von ZwangsarbeiterInnen profitierten, jährlich einzahlen. Das war am 3. September 1986. Einen Härtefonds für Nazi-Opfer lehnte die SPD-Mehrheit damals ab.
Zwölf Jahre später warten viele Opfer des Nazi-Terrors immer noch auf mehr als freundliche Worte der Nachkommen ihrer Peiniger, obwohl mittlerweile ein eher bescheiden ausgestatteter Härtefonds Geld an Nazi-Opfer auszahlt. Einige Überlebende wurden zur Versöhnung nach Bremen geholt, eine Gedenktafel am KZ-Außenlager in Stuhr enthüllt. Ansonsten ist alles beim alten geblieben – Entschädigung für alle Opfer gibt es nicht.
1997 debattierte die Bürgerschaft erneut über das Thema: Ein Antrag der Grünen, Bremen solle im Bundesrat eine Initiative für eine Bundestiftung für NS-Opfer ergreifen, wurde mit den Stimmen von SPD und CDU abgelehnt.
Insgesamt haben auf dem Höhepunkt 1944 mehr als 30.000 ZwangsarbeiterInnen in Bremen an der deutschen Heimatfront die an den Fronten stehenden Männer ersetzt. Von denen waren 1986, als Klaus von Münchhausen im Auftrag des Auschwitz-Komitees erstmals die Frage nach Entschädigung aufbrachte, noch 10.000 am Leben. „Da hätte Bremen schon etwas machen können“, glaubt der Jurist. Zumal sogar der Bremer Bausenator selbst als „Sklavenhalter“aufgetreten war und jüdische KZ-Häftlinge bei der SS angefordert hatte. „Bremen hat sich benommen wie irgendein Unternehmen“, so Münchhausen.
Statt die Opfer als Land oder Stadtgemeinde zu entschädigen hat Bremen aber immer auf eine Lösung auf Bundesbene gesetzt. Die damalige Arbeitssenatorin Eva-Maria Lemke-Schulte hatte diese Position vor der Bürgerschaft begründet: Der Bund dürfe nicht durch eine Landesregelung aus dem „Handlungsdruck“entlassen werden. Außerdem stelle sich bei einer Landesinitiative sofort die Frage nach der „Abgrenzung der Landesgrenzen“. In der Tat war der damalige „Gau Weser-Ems“größer als die heutigen Grenzen des Landes Bremen. „Da hätte man sich eben mit Niedersachen einigen müssen“, findet Münchhausen. 1986 hatte Lemke-Schulte noch die Einrichtung eines eigenen Bremer Hilfsfonds angekündigt, falls Bundestag und Bundesregierung in der Entschädigungsfrage nur unbefriedigende Regelungen träfen.
Elf Jahre später war es an den Bündnisgrünen, im November 1997 den Antrag auf eine Bundesstiftung zur Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter in den Bundestag einzubringen. Auch die SPD befürwortet dies. jof
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