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Die deutsche Wirtschaft strahlt schon wieder

Heute öffnet die weltweit größte Industriemesse in Hannover. Betriebe aus nahem und fernen Osten unterrepräsentiert  ■ Von Beate Willms

Berlin (taz) – Der Lack ist noch ganz frisch. Gerade rechtzeitig zur weltweit größten Investitionsgütermesse, die heute in Hannover ihre Tore öffnet, will sich die deutsche Industrie im Wahljahr berappelt haben. Das Institut für Wirtschaftsforschung (IfW) hat ein 2,6prozentiges Wirtschaftswachstum vorhergesagt, der Deutsche Industrie- und Handelstag (DIHT) geht sogar von 3 Prozent aus.

Und zum erstenmal seit Jahren heißt es wieder, daß Investitionen die Konjunktur antreiben. „Wir haben endlich wieder weltweit eine positive Neigung, zu investieren“, hat der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer dieser Tage erklärt. Bis auf die Bauwirtschaft und den Einzelhandel teilen alle Branchen diese Einschätzung. Branchenübergreifend wollen nicht nur exportorientierte Unternehmen ihre Investitionen aufstocken, sondern auch Zulieferer, Dienstleister, Großhändler und Verkehrsunternehmen. „Und von der Hannovermesse werden weitere Signale ausgehen“, sagt der Chef der Deutschen Messe AG, Claus Goehrmann.

Bis Samstag werden nun nicht nur 7.519 Unternehmen aus 69 Ländern Gelegenheit haben, sich zu präsentieren. Die von den Industrieverbänden verbreitete gute Stimmung wird es auch den RednerInnen aus Politik und Wirtschaft leichtmachen, den zuletzt so geschmähten „Standort Deutschland“ im Wahljahr wieder schöner und besser zu finden – und sie werden es sich nicht nehmen lassen, einmal mehr den Zusammenhang von Investitionen, Innovationen, Technologietransfer und scheinbar zwangsläufig positiven Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt zu strapazieren.

Diese Einschätzung teilen allerdings nicht alle. „Wenn das mal so klappen würde“, sagt ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums von Sachsen-Anhalt. Von den rund 4.200 deutschen Anbietern kommen wie im vergangenen Jahr lediglich 500 Unternehmen aus dem Osten der Republik. Das ist ein Ausdruck der dortigen Mittelstandsschwäche, für die es aufgrund fehlender Wirtschaftszentren auch mittelfristig keine günstige Perspektive gibt. 44 Prozent der kleinen und mittelständischen Unternehmen in den neuen Bundesländern haben weniger als 10 Prozent Eigenkapital. Ernsthaft an Investitionen denkt nur jeder zweite Inhaber – im Westen wollen immerhin zwei Drittel investieren. „Der Technologietransfer funktoniert nicht, und auch die Ausfuhren im Bereich innovativer Produkte liegen zu niedrig“, so der Ministeriumssprecher aus Magdeburg.

Viele Ostfirmen, die sich die Gelegenheit zu neuen Kontakten nicht entgehen lassen wollen, sind deshalb nur an Gemeinschaftsständen der Bundesländer oder der großen Wirtschaftsfördergesellschaften zu finden: Allein könnten sie die Kosten für die Messebeteiligung nicht tragen.

Ähnliches gilt für die Unternehmen aus Osteuropa. Zwar kommen auch aus den westeuropäischen Ländern, an der Spitze Italien und Frankreich, nicht mehr ganz so viele kleine Unternehmen wie im vergangenen Jahr. Trotzdem werden sie weiterhin den größeren Teil der Anbieter ausmachen. Und während die 481 osteuropäischen Aussteller sich gemeinsam auf rund 7.000 Quadratmetern Fläche zusammendrängen, belegen allein 421 italienische Firmen rund 16.800 Quadratmeter.

Was den ferneren Osten angeht, zeigt die Asienkrise Folgen. Aus Japan haben Mitsubishi und Kumatsu ihre Reservierungen abgesagt. Auch der südkoreanische Daewoo-Konzern hat storniert.

Das diesjährige Partnerland Philippinen, das sich am 100. Jahrestag der Ausrufung der Republik als „neuer Tiger auf dem Sprung ins nächste Jahrtausend“ darstellt, will hingegen beweisen, daß sein behutsamerer Kurs in der Wirtschaftspolitik richtig war. Und daß Kooperationen und Joint-ventures mit den 95 philippinischen Ausstellern auch für deutsche Unternehmen kein besonderes Risiko darstellen.

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