Blair bittet Arafat und Netanjahu zu sich

Eine Konferenz in London soll Anfang Mai den blockierten Nahost-Friedensprozeß wieder in Gang bringen. Auch US-Außenministerin Madeleine Albright hat ihre Teilnahme schon zugesagt  ■ Aus Jerusalem Georg Baltissen

Die Gesichter sind angespannt, fast ein wenig verbissen. Gewiß, es gibt auch das übliche Lächeln und die gespielte Herzlichkeit, mit der Regierungschefs gewöhnlich ihre Differenzen zu kaschieren suchen. Aber vielsagender, ja verräterischer ist die Szene, als die beiden Premiers sich dem offiziellen Fototermin stellen. Seite an Seite und doch innerlich meilenweit entfernt. Großbritanniens Premierminister Tony Blair und Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu blicken einander nicht an. Kein Händeschütteln. Die Körpersprache der Regierungschefs zeigt Anspannung, fast Verkrampfung. Die Blicke der rechts und links postierten Ehefrauen gehen in die Ferne.

„Ich bin bereit, überall hinzugehen, zu jeder Zeit, und besonders im nächsten Monat, möglicherweise nach London, um den Prozeß voranzubringen“, stotterte Benjamin Netanjahu nach seinem Gespräch mit Blair gestern in die Mikrofone der Journalisten. Großbritanniens Ministerpräsident hatte ihn davon überzeugt, die US- Vorschläge für den kommenden Teilrückzug der israelischen Armee aus den palästinensischen Gebieten zumindest zu diskutieren. Dies soll Anfang Mai in London geschehen. Blair hat bereits die Zusicherung von US-Außenministerin Albright, an dem Nahostgipfel teilzunehmen. Gestern nachmittag reiste Blair nach Gaza, um auch Palästinenserpräsident Jassir Arafat von der Notwendigkeit einer solchen Konferenz zu überzeugen. Der palästinensische Planungsminister Nabil Schaath sagte im israelischen Rundfunk, daß ein solches Treffen nur Sinn mache, wenn Israel sich verpflichte, den nächsten Teilrückzug in einem angemessenen Umfang vorzunehmen. Bislang hatten die Palästinenser einen rund 30prozentigen Rückzug erwartet. Doch verlautete nach der letzten Mission von US-Vermittler Dennis Ross vor zwei Wochen, Arafat sei bereit, den US-Vorschlag eines 13prozentigen Rückzugs zu akzeptieren, um den Friedensprozeß überhaupt in Gang zu halten. In einer Fernseh- und Rundfunkansprache drohte Arafat Israel allerdings erneut damit, im Frühjahr 1999, dem offiziellen Termin für den Abschluß des Oslo-Prozesses, einen unabhängigen palästinensischen Staat auszurufen. Netanjahus Chefberater David Bar-Ilan antwortete darauf, Israel werde den gesamten Oslo- Prozeß aufkündigen, sollte Arafat einen solchen „einseitigen“ Schritt unternehmen. „Die nächsten beiden Wochen werden zeigen, ob es ein klares Engagement der USA im Friedensprozeß geben wird“, sagte Arafat und forderte von der US-Regierung, ihren Vermittlungsvorschlag endlich öffentlich zu machen.

Blair, der bei seinem Besuch in Jerusalem die Notwendigkeit israelischer Sicherheit unterstrich, will Arafat in Gaza dazu bewegen, ein Sicherheitsabkommen mit der Europäischen Union zu unterzeichnen, um den militärischen Arm der islamistischen Hamas in den Griff zu bekommen. Arafats Autonomiebehörde hat allerdings gerade erst eine Vereinbarung mit Hamas geschlossen, laut der beide Seiten weitere gegenseitige Vorwürfe wegen der Ermordung des Hamas-Bombenbauers Muhidin Scharif unterlassen. Geplant ist auch ein Versöhnungsgespräch zwischen der Autonomiebehörde und Hamas in Kairo oder Amman.

Erwartet wird ferner, daß Arafat Blair um weitere europäische und britische Finanzhilfe bitten wird. Die EU hat bereits entschieden, ihr Hilfsprogramm über 1998 hinaus zu verlängern. Die Europäer machen die wiederholte Abriegelung der besetzten Gebiete für die ökonomischen Schwierigkeiten der palästinensischen Autonomiebehörde verantwortlich. Blair will die Öffnung des schlüsselfertigen Flughafens in Gaza und die Fertigstellung des Industrieparks Karni an der israelisch-palästinensischen Grenze in Gaza durchsetzen. Doch sind auch kleinste Fortschritte vor dem Gipfel in London nicht zu erwarten.