: Kohl hat Verständnis für die FDP
■ Kanzler betont, der Solidaritätszuschlag werde "im Augenblick nicht" abgeschafft, der Wunsch der Liberalen nach Profilierung sei normal. Die Ost-Regierungschefs sind trotzdem beunruhigt
Bonn (AFP/rtr) – Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) hat die Forderung des FDP-Parteitages nach Abschaffung des Solidarzuschlags zurückgewiesen. „Der Soli wird im Augenblick nicht abgeschafft“, stellte Kohl in der ARD klar. Die Koalition habe fest vereinbart, daß es in dieser Legislaturperiode keine Steueränderungen mehr gibt. Es sei aber ein normaler Vorgang, daß die FDP eigenes Profil zeigen wolle und in ihrem Wahlprogramm weitergehende Forderungen stelle. FDP-Fraktionschef Hermann Otto Solms sagte, es sei bei einem Koalitionsgespräch vereinbart worden, daß niemand dem anderen Vorschriften für sein Wahlprogramm mache. Kohl betonte, natürlich seien die Liberalen noch ein verläßlicher Koalitionspartner.
Die FDP-Spitze wies die Kritik der Ost-Ministerpräsidenten zurück, die in dem Parteitagsbeschluß der Liberalen zur Soli-Abschaffung das Ende der Solidarität mit den neuen Ländern sehen. Parteichef Wolfgang Gerhardt erklärte, die Regierungschefs bauten einen „Popanz“ auf. Offenbar habe keiner der Kritiker den Wortlaut des Beschlusses gelesen, wonach der Soli im Zuge einer großen Steuerreform abgeschafft werden soll, ohne die Transferzahlungen in den Osten einzuschränken. Fraktionschef Solms räumte ein, er hätte es eine Woche vor der Wahl in Sachsen-Anhalt vorgezogen, wenn der Parteitag dem Bundesvorstand gefolgt wäre. Dieser hatte nur einen stufenweisen Soli-Abbau gefordert. Auf Antrag der Grünen wird sich der Bundestag heute in einer Aktuellen Stunde mit der Haltung der Bundesregierung zum Soli befassen.
Thüringens Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU) hatte kritisiert: „Wer den Soli abschaffen will, erweckt den Eindruck, daß Schluß sein könne mit der Solidarität.“ Sein sachsen-anhaltinischer Amtskollege Reinhard Höppner (SPD) warf der FDP vor, sie habe den Osten abgeschrieben. Sachsens Landesgruppenchef in der Unionsfraktion, Joachim Schmidt, forderte, die Liberalen sollten sich nicht auf Kosten der neuen Länder profilieren.
Wenige Tage vor der Wahl in Sachsen-Anhalt, bei der für die CDU schwere Verluste erwartet werden, baute Kohl schon mal vor: Die Abstimmung sei „in gar keiner Weise eine Testwahl für Bonn“, sagte er in dem ARD-Interview. Es handele sich nur um „eines von vielen Stimmungsbarometern“.
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