: Eine Frage des Humors
■ SchülerInnen des Alten Gymnasiums verstehen Wirbel um Rotlicht-Party nicht
Die Nulltagefeier zum Thema Rotlichtviertel hat so viel Spaß gemacht wie schon lange keine Abschlußparty mehr, finden Daniela Ottner (20), Philipp Volmer (20) und Christian Clawien (19). Wie berichtet, hatten sich SchülerInnen, die sich durch das Motto sexuell diskriminiert fühlten, bei der Frauenbeauftragten beschwert. Die Bildungsbehörde hat das Motto der Feier kritisiert.
taz: Es gab Leute, die mit dem Motto der Nulltagefeier nicht einverstanden waren. Habt Ihr Euch vorher Gedanken darüber gemacht, ob Ihr einigen Leuten damit auf die Füße treten könntet?
Philipp: Die Gegner hätten ja mit uns diskutieren können.
taz: Die Kritiker behaupten, sie wären als prüde abgestempelt worden.
Christian: Dieser Gruppendruck hat nicht existiert. Das Thema ist auf der Vollversammlung mit großer Mehrheit beschlossen worden.
Philipp: Ich kann verstehen, daß sich jemand nicht vor 120 Leute stellen will und sagt: „Ich fühle mich verletzt.“Aber es wäre gegangen.
Warum habt Ihr dieses Thema überhaupt aufgegriffen?
Daniela: Wegen der Dekoration, unter anderem.
Philipp: Man muß noch mal was zum Charakter der Nulltagefeier sagen. Es gibt an der Schule eine spontane Party. Die Lehrer wissen teilweise nur das Datum. Das Thema wird geheimgehalten. Und es ist immer so, daß eine Nulltagefeier etwas Provozierendes hat. In der Vergangenheit hat es Ausschreitungen gegeben. Es wurde Alkohol getrunken. Das ist aber bei dieser Nulltagefeier nicht passiert. 95 Prozent der Schüler und Lehrer waren mit dieser Nulltagefeier absolut zufrieden.
Haben alle Leute mitgemacht?
Christian: Ich glaube, aus unserem Jahrgang sind nur zehn Leute nicht gekommen, aber nicht aus den Beweggründen, die hier diskutiert werden.
Ihr habt gesagt, Ihr wolltet provozieren, und das Thema Prostitution ließe sich so schön dekorieren. Ist das nicht naiv, so mit dem Thema umzugehen?
Philipp: Wenn man jedes Thema so ernsthaft betrachtet, kann man über nichts mehr Witze machen. Dann kann man auch keine Cowboy-und-Indianer-Fete mehr feiern, weil ein Häuptling sagen könnte: „Mein Volk ist abgeschlachtet worden, und ihr lacht darüber.“Das ist eine Frage des Humors.
Es hat aber an Eurer Schule Mädchen gegeben, die sich sexuell diskriminiert fühlten. Mädchen, die das Gefühl hatten, wir müssen uns so ausstaffieren, sonst gelten wir als prüde.
Christian: Dieses „Müssen“hat es nicht gegeben. Es wurde auch nicht gesagt: „Ihr seid prüde.“Es ist eher so gewesen, daß diese Gruppe von den anderen kritisiert wurde, weil sie die Nulltagefeier pauschal abgelehnt hat, ohne daran mitzuwirken.
Es gab eine Bühnenschau, bei der ein Lehrer mit nacktem Oberkörper getanzt haben soll. Euer Direktor hat gegenüber der taz gesagt, es seien Pornos verteilt worden, und er hätte das Verteilen dieser Prospekte nicht verhindern können.
Philipp: Nein, das stimmt nicht. Der Lehrer hat sein Unterhemd anbehalten. Wir haben keine Pornohefte, sondern Aufklärungsbroschüren verteilt.
Christian: Ich möchte unsere Lehrer ganz klar in Schutz nehmen. Ich will nicht, daß der Eindruck entsteht, daß die Lehrer die Nulltagefeier gut fanden, weil sie dort was zu gucken hatten. So würde ich unsere Lehrer wirklich nicht einschätzen.
Habt Ihr Euch Gedanken darüber gemacht, daß das Frauenbild, das auf einer solchen Fete vermittelt wird, einige Mädchen gestört haben könnte?
Christian: Es war ein Rollenspiel. Niemand von uns hat Prostitution gefördert oder gutgeheißen. Die Gruppe der Kritiker ist auf diesem Gebiet sehr empfindlich.
Ist das nicht Ihr gutes Recht?
Christian: Ja, das verurteile ich ja auch gar nicht.
Daniela: Ich habe das so gesehen, daß ich mir einen Spaß daraus mache. Ich habe mich nicht als Objekt gefühlt. Ich glaube auch nicht, daß die anderen mich als Objekt gesehen haben. Ich habe mich als Frau nicht diskriminiert gefühlt.
Könnt Ihr Euch vorstellen, daß eine Drogenprostituierte Euer Fest zynisch findet?
Daniela: Wir haben ja keine Drogenprostituierte dargestellt, die direkt aus dem Milieu kommt, die also praktisch dazu gezwungen ist, weil sie gar nicht mehr anders kann.
Das ist aber für viele Prostituierte Realität.
Daniela: Ich habe jemanden verkörpert, der das aus freien Stücken macht. Also praktisch eher so eine Edelnutte, oder wie man das nennt.
Philipp: Mich ärgert am meisten, daß sich die Kritiker nicht vorher geäußert haben. Warum kommen sie hinterher? Wir sind jetzt konfrontiert mit einem Artikel, der uns darstellt als idiotische und unpolitische Fun-Generation, die nicht nachdenkt und die mit solchen Themen ganz blöd und naiv umgeht.
Tut Ihr das nicht?
Christian: Hätten Sie es besser gefunden, wenn wir auf dieser Nulltagefeier Leute abgewrackt und taumelnd über die Bühne geschickt hätten, um darauf hinzuweisen, daß es auch schlechte Seiten der Prostitution gibt?
Hätte es diese Möglichkeit gegeben?
Philipp: Die Gruppe, die sich jetzt beschwert, hätte alles machen können. Sie hätte Plakate verteilen können, auf der Bühne eine Rede halten können oder eine Demo veranstalten können. Aber nichts zu sagen, und sich hinterher an die Presse zu wenden ist feige.
Fragen: Kerstin Schneider und Joachim Fahrun
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