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Rosenbarone feilen am Image

Jährlich sterben 1.000 Landarbeiter an Pestiziden. Jetzt setzt der Unternehmerverband auf ein Qualitätssiegel, dessen Vergabe er lieber selbst kontrolliert  ■ Aus Nairobi Peter Böhm

Das Thema ist Charles Mbakaya unangenehm. Jedesmal, wenn die Rede auf seine Studie über die gesundheitlichen Folgen des Pestizideinsatzes in Kenia und anderen ostafrikanischen Ländern kommt, windet er sich. Denn die Ergebnisse sind erschreckend. In den untersuchten Jahren 1990 bis 1994 sind in Kenia Pflanzenschutzmittel eingesetzt worden, die in den Industriestaaten schon lange gebannt sind, unter anderem DDT. „Wenn man das an die große Glocke hängt, wird es schwierig, weitere Forschungen in der Industrie oder der Landwirtschaft durchzuführen“, sagt der Mediziner, der Mitglied des Komitees für den Pestizideinsatz im kenianischen Landwirtschaftsministerium ist, in dem auch Farmer und die Pflanzenschutzmittelindustrie vertreten sind.

Weniger Skrupel zeigt seine Mitarbeiterin Grace Ohayo- Mitoko. Im vergangenen Herbst hat sie eine Doktorarbeit über die Studie veröffentlicht. Darin kommt sie zu dem Schluß, daß rund 350.000 Kenianer an Vergiftungserscheinungen infolge des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln leiden. Mindestens 1.000 Menschen stürben jährlich daran.

Kein Wunder, daß landwirtschaftliche Produkte aus Kenia in Verruf geraten sind. Umweltschutz- und Menschenrechtsorganisationen wie FIAN und die Gewerkschaften in Deutschland kritisieren, daß Umweltschutzbestimmungen nicht eingehalten würden und die rund 40.000 Beschäftigten unter katastrophalen Bedingungen arbeiten müßten.

Deutschland bezieht jährlich Nelken und Rosen für rund 400 Millionen Mark aus Kenia und ist damit mit Abstand der größte Endverbraucher. Holland importiert zwar noch mehr, exportiert das meiste jedoch wiederum – auch nach Deutschland. Für Kenia sind die Blumen ein Riesengeschäft. Der Export von Gemüse und Schnittblumen bringt nach Tee, Kaffee und Tourismus die viertmeisten Devisen und nimmt seit Anfang der neunziger Jahre rapide zu. „1997 war wegen der El-Niño- Regenfälle ein schwaches Jahr“, so Mike Morland, Chef des Verbandes der Blumenproduzenten, Kenya Flower Council (KFC), „aber für heuer erwarten wir eine Wachstumsrate von 100 Prozent.“

Weil der KFC sein Image in den Industrieländern aufbessern will, hat er, wie auch der regierungsnahe Verband der Frischproduktexporteure (FPEAK), Anbauregeln beschlossen. Wer sie einhält, darf seine Blumen mit einem Qualitätssiegel kennzeichnen, das umweltverträglichen Anbau garantieren soll. Die Kontrolle über die Einhaltung obliegt den KFC-Mitarbeitern. Begründung: Unabhängige Gutachter seien zu teuer.

Daß es tatsächlich eher schlecht um die Disziplin bestellt ist und daß das auch mit den Besitzverhältnissen zu tun hat, läßt die Tatsache vermuten, daß nach Aussage des Verbandes nur eine einzige Firma den Anforderungen genügt: die Sian Roses, die Präsident Moi gehört. Auch die meisten anderen Blumenfarmen liegen in der Hand von Parteibaronen. Sie haben dafür gesorgt, daß die gesetzlichen Grundlagen ihren Vorstellungen entsprechen: Importabgaben auf Produkte, die für den Blumenanbau wichtig sind, gibt es nicht.

Auch der Industrieverband Agrar e.V., die Interessenvertretung der deutschen agrochemischen Industrie, macht sich für die kenianischen Schnittblumen stark. Ende März lud er ein Dutzend deutscher Journalisten zu einer Tour durch die Gemüse- und Blumenanbaugebiete Kenias. Anlaß: die Vorstellung des Safe-Use-Projekt für Pestizide des Weltverbandes GCPF, das nach Skandalgeschichten über Vergiftungen 1991 begründet wurde. Es soll Bauern, Pflanzenschutzmittelhändler und Berater im sachgemäßen Umgang mit Pestiziden ausbilden. Mittelpunkt des Agrarprogramms: die Besichtigung von zwei Musterfarmen am Naivasha-See, der knapp 100 Kilometer nordwestlich von Nairobi gelegen ist. Die Oserian- Blumen mit der für deutsche Verhältnisse unvorstellbaren Größe von über 5.000 Hektar ist ein Musterbeispiel des patriarchalischen Betriebes. Die 5.600 Beschäftigten leben auf der Farm, werden, wie einer der Manager, Tom Fraser, berichtet, kostenlos medizinisch versorgt, die Kinder können zur Schule gehen, Lebensmittel gibt es zu subventionierten Preisen. Der monatliche Lohn liege bei 2.200 Kenia-Schilling, umgerechnet rund 75 Mark – nicht ganz das „Vier- bis Fünffache des Mindestlohnes“, wie Morland behauptet. Denn der liegt für Landarbeiter bei 2.500 Schilling.

Und obwohl das im Tarifvertrag vorgesehen ist, weigere sich Oserian, die Landarbeitergewerkschaft im Betrieb aktiv werden zu lassen, berichtet Gewerkschaftssekretär Rono Joel. Seine Organisation hat deshalb Beschwerde beim Arbeitsministerium eingelegt.

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