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Kandidat Schröder trifft Diktator von Weißrußland

■ Auf Wunsch von zwei Unternehmen lud Niedersachsens Ministerpräsident Schröder Weißrußlands Präsidenten Lukaschenko zum Essen. Ein klarer Verstoß gegen EU-Beschlüsse

Hannover (taz) – Dem SPD- Kanzlerkandidaten Gerhard Schröder waren Wirtschaftsinteressen einmal mehr wichtiger als Menschenrechte. Der derzeitige Präsident des Bundesrates hat gestern den weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko zu einem Mittagessen im Gästehaus der niedersächsischen Landesregierung in Hannover empfangen.

Damit verstieß Schröder eindeutig gegen einen Beschluß der EU-Außenminister, die im September vergangenen Jahres wegen der Mißachtung der Menschenrechte und der Pressefreiheit in Weißrußland die Hilfe an das Land gestoppt und Kontakte auf hochrangiger Ebene eingestellt hatten. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes wurden die Staatskanzleien aller Bundesländer im Januar in einem Schreiben darüber informiert, daß „hochrangige politische Gespräche mit dem Präsidenten von Weißrußland im Widerspruch zu den maßgeblichen EU-Beschlüssen“ stünden. Als „politische Aufwertung eines diktatorischen Staatsführers und Altstalinisten“ haben die niedersächsischen Grünen gestern das Treffen kritisiert.

Nach Angaben der Staatskanzlei in Hannover waren bei dem Essen auch die Vorstandsvorsitzenden der hannoverschen Continental AG und der Münchner MAN Nutzfahrzeuge anwesend. Die Begegnung des SPD-Politikers mit Lukaschenko sei auf Wunsch der beiden Firmen zustande gekommen, sagte Schröders Regierungssprecher. Er betonte, bei dem Essen habe kein politischer Meinungsaustausch mit Lukaschenko stattgefunden, man habe vielmehr über Investitionen von Conti und MAN in Weißrußland gesprochen.

Die hannoversche Continental AG hat gestern auf der Hannover- Messe in Anwesenheit von Lukaschenko mit den Belshina Belarus Reifenwerken ein Memorandum über eine künftige gemeinsame Produktion von Reifen im weißrussischen Bobruisk unterzeichnet. Die MAN Nutzfahrzeuge baut bereits in Minsk mit dem weißrussischen LKW-Produzenten MAZ eine gemeinsame LKW-Fabrik mit 5.000 Beschäftigten auf.

Von Alexander Lukaschenko distanzierte sich gestern selbst die hannoversche Messe AG. Ein Sprecher des Unternehmens dementierte einen offiziellen Messebesuch des weißrussischen Präsidenten. Der niedersächsische Grünen-Landesvorsitzende Hans-Albert Lennartz kritisierte gestern, Schröder müsse sich fragen lassen, ob moralische Bedenken in der Politik angesichts wirtschaftlicher Vorteile nichts mehr gelten. Jürgen Voges

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