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RAFler bald als Autonome?

Der Staatsfeind Nummer 1 hat sich aufgelöst, doch für den obersten Ankläger der Republik, den Generalbundesanwalt, hat sich dadurch nicht viel verändert  ■ Aus Karlsruhe Christian Rath

Es war Kay Nehms erster Auftritt, seitdem die Rote Armee Fraktion sich für aufgelöst erklärt hatte. Akkurat gescheitelt saß der Generalbundesanwalt vor einer schlapp hängenden Deutschlandfahne und betonte, daß alles weitergehe wie zuvor.

Nehm befürchtet, daß sich die Ex-TerroristInnen der RAF zu „neuen gewaltbereiten Gruppen“ zusammenschließen könnten. Auf Nachfrage erklärte Nehm gestern bei seiner Pressekonferenz, er vermute, daß „der eine oder andere im autonomen Spektrum untertauchen“ werde. In der RAF-Auflösungserklärung sei „unverhohlen zur Bekämpfung der rechtsstaatlichen Ordnung“ aufgerufen worden, sagte er zur Begründung. Die Auflösung des einstigen ersten Feinds im Staat schien den Generalbundesanwalt jedenfalls nicht sonderlich beeindruckt zu haben. „Ich habe das seit langem erwartet“, erklärte er gestern.

Auch die Wachmannschaften vor dem Saal des Bundesgerichtshofs, in den Nehm die Presse geladen hatte, zeigten sich ungerührt. Vor dem „Bunker des Rechts“ patrouillierten weiterhin Polizisten, unbekannte BGH-BesucherInnen werden in einer separaten Kammer durchsucht. Vorerst werde dies auch so bleiben, sagte Nehm.

Einen Tag zuvor hätte der oberste Terror-Fahnder Interviews im Dutzend geben können, doch als er nun endlich vor die Presse trat, war diese doch etwas enttäuscht. Eine drastische Verkleinerung der Bundesanwaltschaft und des Bundeskriminalamtes sei nicht erforderlich, erklärte Nehm lakonisch. „Hier wurde in den letzten Jahren schon beträchtlich Personal eingespart.“ Die jetzige Personalstärke werde für neue Aufgaben benötigt. Er nannte Ermittlungen gegen die Autonomen, ausländische Gruppierungen wie die PKK und in Zusammenhang mit Völkermordtaten in Ex-Jugoslawien.

Nehm warnte davor, die Abschaffung der Anti-RAF-Gesetze „im beginnenden Wahlkampf“ zum Thema zu machen. Eine Amnestie für einsitzende und gesuchte RAF-Mitglieder lehnte der Generalbundesanwalt ab: „Straftaten bleiben Straftaten, auch wenn sich die Täter im nachhinein entschließen, künftig keine Straftaten mehr zu begehen.“

Inzwischen sprach sich auch der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) gegen eine Amnestie aus – eine Meinung, die von Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer und Hessens Justizminister Rupert von Plottnitz (Bündnis 90/Die Grünen) geteilt wird. Vollmer plädierte allerdings dafür, den Kurs der Begnadigungen und vorzeitigen Entlassungen fortzusetzen. Von Plottnitz forderte, die Möglichkeiten des Bewährungsrechts besser zu nutzen.

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