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Mehrarbeit ohne jeden Lohnausgleich

■ Ein Tochterunternehmen der Bankgesellschaft Berlin verweigert seinen Beschäftigten einen neuen Tarifvertrag, um die Arbeitszeit um anderthalb Stunden pro Woche zu verlängern. Mehr Lohn gibt es nicht - s

Die Privatisierung von Staatsunternehmen kann zur Verschlechterung der Arbeitsbedingungen führen. Das erleben gegenwärtig die 375 Beschäftigten der Arwobau GmbH, die das Land Berlin 1996 an die Bankgesellschaft Berlin AG verkaufte. Für die MitarbeiterInnen ihrer Tochterfirmen Somag und Wotec erhöhte die Geschäftsführung der Arwobau die Arbeitszeit von 38,5 auf 40 Stunden pro Woche. Die Mehrarbeit von sechs Stunden pro Monat leisten die Beschäftigten nun unentgeltlich – ohne Lohnausgleich.

Augenblicklich ist die Bankgesellschaft Berlin selbst noch mehrheitlich in Landesbesitz, doch verhält sie sich mehr und mehr wie ein Privatunternehmen. Besonders weit fortgeschritten ist die Auflösung traditioneller Arbeitsverhältnisse bei der Immobilien- und Baumanagement GmbH (IBG), dem Baukonzern der Bank, zu der jetzt auch die Arwobau gehört. Die Gesellschaft vermietet rund 9.000 Wohnungen und Appartements, betreibt zwei Hotels und unterhält Heime für Kriegsflüchtinge mit 2.000 Betten.

Bislang sind von der Verschlechterung 101 MitarbeiterInnen bei Somag und Wotec betroffen, erklärt der Chef des Arwobau- Betriebsrats, Peter Konrad. Ähnliche Veränderungen würden bald auch für die übrigen Angestellten der Baugesellschaft anstehen. Außerdem wurde bei der Wotec das Urlaubsgeld, das bislang ein halbes Monatsgehalt ausmachte, komplett in eine leistungsabhängige Prämie umgewandelt. Arwobau- Geschäftsführer Wolfgang Huber will eine derartige Regelung auch für die Somag ebenfalls nicht ausschließen.

Doch das Personal hat nicht nur Einschränkungen zu verkraften. So wurde der Urlaub auf 30 Tage jährlich festgesetzt. Bisher bekamen MitarbeiterInnen bis zum Lebensalter von 40 Jahren nur 26 Tage Urlaub im Jahr. Auch die vermögenswirksamen Leistungen wurden von 13 auf 78 Mark pro Monat erhöht. Unter dem Strich allerdings verdienen die Angestellten der Wotec „zwischen 20 und 100 Mark weniger“ pro Monat, sagt Betriebsrat Konrad. Hinzu kommt unbezahlte Mehrarbeit.

Die Einschnitte wurden möglich, weil die Arwobau im Dezember 1997 aus den öffentlichen Arbeitgeberverbänden ausgetreten ist, denen sie als früher landeseigenes Unternehmen angehörte. Privaten Verbänden wollte die Geschäftsführung dann aber nicht beitreten. Auch den Abschluß eines Haustarifs lehnte die Chefetage gegenüber der Gewerkschaft ÖTV ab. Somit sind die Beschäftigten nun gezwungen, einzelne Arbeitsverträge mit der Geschäftsführung abzuschließen.

Die tariffreie Zone beschränkt sich nicht nur auf die Arwobau. Auch bei der IBG selbst und zwei anderen Tochterfirmen würden Einzelverträge abgeschlossen, so Geschäftsführer Huber. Die Immobiliengeschäfte der Bank unterstehen der Verantwortung von Vorstandsmitglied und CDU- Fraktionsvize Klaus-Rüdiger Landowsky.

„Die Tarifflucht der Banktochter IBG gibt ein falsches Signal“, kommentiert ÖTV-Sprecher Ernst-Otto Kock. Für den Fall des Verkaufs weiterer landeseigener Unternehmen befürchtet er, daß die Verschlechterung der Arbeitsverhältnisse größere Kreise ziehe. Aus der Sicht der Bank ist besonders vorteilhaft, daß bei Neusteinstellungen in Zukunft nicht mehr der Tariflohn gezahlt werden muß.

ÖTV, Deutsche Angestellten- Gewerkschaft (DAG) und der Betriebsrat konnten den Abschluß von Einzelverträgen mit dem Personal nicht verhindern, weil die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder „weit unter 20 Prozent“ der Belegschaft liegt, weiß Betriebsrat Konrad. Anfang der 90er Jahre habe der Organisationsgrad noch fast 70 Prozent betragen. Viele Gewerkschaftsmitglieder seien jedoch aus- beziehungsweise neue Beschäftigte nicht mehr eingetreten, weil die „Betreuungstätigkeit der Gewerkschaft wenig erkennbar“ gewesen sei. Hannes Koch

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