: Roter Teppich für den obersten Turkmenen
■ In Washington wird Turkmenistans Präsident Nijasow hofiert. Denn sein Land verfügt über die viertgrößten Erdgasreserven der Welt
Berlin (taz) – Wenn der „Turkmenbaschi“ eine Reise tut, dann haben seine politischen Gefangenen Anlaß zur Freude – auch wenn es sie offiziell gar nicht gibt. Saparmurad Nijasow, wie der „Führer der Turkmenen“ und 1994 mit 99,9 Prozent aller Stimmen bestätigte Präsident der Ex-Sowjetrepublik Turkmenistan mit bürgerlichem Namen heißt, ist gerade in Chicago. Dort hängt er noch zwei Tage an das umfangreiche Programm seines US-Besuchs. Gleich zwei Gespräche mit Präsident Bill Clinton und Treffen mit fünf Kabinettsmitgliedern, darunter Außenministerin Madeleine Albright und Energieminister Federico Pena waren ihm in Washington beschert. Ein solches Pensum kann nicht jeder Staatsgast vorweisen.
Quasi als Gastgeschenk für Clinton setzte Nijasow Anfang der Woche vier prominente Polithäftlinge auf freien Fuß. Mit Ausnahme des tadschikischen hatte er als einziger Regent der Region dem US-Präsidenten noch nicht die Hand geschüttelt. US-Geheimdienste bezeichnen die 4,5-Millionen-Republik Turkmenistan als „repressivsten“ Staat Zentralasiens. Das US-Außenministerin charakterisiert das Land als „Ein- Parteien-Staat, dominiert von Nijasow und seinen Beratern“.
Durdymurat Chodscha-Muhammedow, Ko-Vorsitzender der illegalen Demokratischen Fortschrittspartei, durfte vor Nijasows Reise eine psychiatrische Anstalt in der Wüstenstadt Göktepe verlassen, wo er seit 1995 festgehalten wurde. Zuvor mußte er versprechen, sich künftig nicht mehr politisch zu betätigen. Am Montag ließen die Behörden dann auch den ehemaligen Außenminister Awdy Kulijew wieder laufen. Er hatte drei Tage vorher ausprobieren wollen, wie ernst Nijasow seine jüngsten Demokratisierungsversprechen meinte, und sein Moskauer Exil in Richtung Turkmenistan verlassen. Schon auf der Gangway des Flughafens der Hauptstadt Aschghabat wurde er festgenommen.
Laut der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch kamen auch Batyr Sachetlijew und Begmurat Chodschajew frei, die 1995 eine Demonstration in Aschghabat organisiert haben sollen. Damals protestierten etwa 100 Mutige dagegen, daß der „Turkmenbaschi“ sein Versprechen nicht eingelöst hatte, das erdgas- und ölreiche Land in ein „zweites Kuwait“ zu verwandeln. Statt dessen hatten viele Turkmenen monatelang keinen Lohn bekommen. Obwohl die Demonstranten geordnet durch die Straßen zogen, nannte die Regierung sie „Drogenabhängige“ und „betrunken“. Auch Nijasow behauptete jetzt vor dem Auswärtigen Ausschuß in Washington, in seinem Land säßen lediglich Kriminelle im Gefängnis.
Mit den viertgrößten Erdgasreserven der Welt im Rücken kann sich Nijasow eine unabhängige Rohstoffpolitik leisten. Mit neuen Bahn- und Pipelineverbindungen zum Iran umging Turkmenistan als erstes Land der Region Rußland. Die US-Regierung drohte wegen des Iran-Geschäfts mit Sanktionen, verzichtete dann aber aus geschäftlichen Gründen darauf. Zu sehr sind große US-Multis an Turkmenistans Gasquellen und Ölfeldern interessiert. Frühere hochrangige Washingtoner Politiker wie Alexander Haig und Zbigniew Brzezinski betätigen sich als Lobbyisten und Nijasow-Berater. Die staatliche Export-Import- Bank hat Turkmenistan gerade einen Kredit von 96 Millionen Dollar zugesagt, um das Gaspipelinesystem zu modernisieren.
Vor kurzem übergab in Aserbaidschans Hauptstadt Baku US- Botschafter Stanley Escudero einen Brief des US-Vize Al Gore an Präsident Haidar Alijew. Der möge doch endlich seinen Streit mit dem „Turkmenbaschi“ über zwei Off-shore-Ölfelder im Kaspischen Meer begraben. Der Zwist behindert den in den USA favorisierten Plan, Turkmenistan per Unterwasserpipeline an Aserbaidschan zu koppeln, um endlich dessen Rohstoffe auf westliche Märkte zu bekommen und vor allem den Iran aus dem Transitgeschäft zu drängen. Dem dient auch ein weiteres Projekt, das von Turkmenistan ausgeht: die Trans-Afghanistan- Pipeline. Bauherr möchte das Unternehmen Unocal werden. Dessen Firmensitz ist Texas. Thomas Ruttig
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen