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Ein verpaßter Abgang

■ Mit dem Euro wurde Kanzler Kohls letztes Projekt vollendet

Als der Redner sein Plädoyer für die Einführung des Euro beendet hatte, erhoben sich alle Fraktionen und spendeten anhaltenden Applaus, der nicht nur der Rede, sondern einem Lebenswerk galt, das in der Einführung des Euro seinen krönenden Abschluß fand. Parlamentspräsidentin Rita Süssmuth dankte mit Tränen in den Augen.

So oder ähnlich hätten die gestrigen Ausführungen Helmut Kohls gewürdigt werden können, so wurde die letzte Rede Hans-Dietrich Genschers vor dem Bundestag gefeiert. Der Zyklus eines politischen Lebens hat sich für beide mit dem Beschluß zur Einführung der Währungsunion vollendet. Die Europäische Union ist damit nicht mehr revidierbar, was jetzt folgt, ist der schwierige Prozeß der Angleichung der Lebensverhältnisse. Der feine Unterschied ist nur: Genscher hat um diesen Umstand gewußt und sich rechtzeitig von seinem Amt und nun von seinem Mandat verabschiedet. Er hat das hingelegt, was man zu den schwierigen Werkstücken der politischen Kunst rechnen kann: einen starken Abgang. Helmut Kohl hingegen hat ihn verpaßt.

Getrieben von dem Gefühl der Unersetzbarkeit, das noch einen jeden zur Selbstüberschätzung verleitete, macht er weiter. Dabei hat er keine historische Aufgabe mehr, die es noch zu erfüllen gälte, kein bedeutsames Projekt, das er noch zu benennen vermag. Der einst als Provinzpolitiker begann, hat sich zum Staatsmann gemausert und gilt nun als ein Europäer von Format. Doch auf die Herausforderung der Globalisierung weiß er keine Antwort. Schlimmer noch, er vermag sie nur in den Begriffen von gestern zu erfassen. Er wolle es noch einmal wissen, so lautet die Kohlsche Begründung für eine weitere Legislaturperiode nunmehr zielloser Umtriebigkeit. Dabei müßte er mittlerweile wissen, daß seine Uhr abgelaufen ist, daß er zunehmend hilflos wirkt neben einem vorwärtsstrebenden Schäuble und einer querschießenden CSU, scheinbar unfähig, den Groll zu vernehmen, der in seiner Partei anschwillt, geschweige denn, daß er wüßte, wie er zu besänftigen sei. Die CDU gleicht einem einst blühenden Unternehmen, das den Anschluß an die neuen Produktionslinien verpaßt hat, weil es noch immer im Stile eines Familienbetriebs geführt wird. Gedrückte Stimmung in allen Abteilungen, doch keiner, der sich traut, dem Seniorchef zu sagen, daß er aufs Altenteil gehen soll. Dieter Rulff

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