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Himmelstürmende Gesetzesbrecher

■ Am Berliner Tor sollen Hochhäuser das alte Polizeipräsidium architektonisch ergänzen

Hamburg bricht ein ungeschriebenes Gesetz: In St. Georg sollen zur Jahrtausendwende zwei neue Hochhäuser in den Himmel ragen. Die beiden 21stöckigen Türme werden neben dem gleichhohen alten Polizeipräsidium am Berliner Tor errichtet. Zwei weitere sechsgeschossige Gebäudezeilen, die auf Säulen stehen, verbinden sie miteinander. Das sieht der preisgekrönte Entwurf des Hamburger Architektenbüros Alsop/Störmer für die „Berliner-Tor-City“vor, den Oberbaudirektor Egbert Kossak (SPD) und Investor Dieter Becken am Freitag abend vorstellten.

Über Jahre galt es als städtebauliches Tabu, die City-Skyline durch neue Hochhäuser zu beeinträchtigen. Dennoch fiel die Kritik von Opposition und Stadtplanern am Wochenende sanft aus.

Becken, der sich durch das Doppel-X-Haus am Heidenkampsweg, die Restaurierung einer alten Fabrik in der Wendenstraße sowie Pläne für ein Ortszentrum in Bahrenfeld einen Namen als erfolgreicher Investor gemacht hat, wird nun das Gesicht St. Georgs verändern: Das alte Polizeipräsidium der 60er Jahre, eins der ersten Hochhäuser Hamburgs, wird von Asbest saniert. Nur seine Nebengebäude werden abgerissen. An ihrer Stelle entstehen ab 2000 in fünf Bauabschnitten die Hochhäuser.

Bis zu 4000 Menschen sollen hinter den Glasfassaden einmal wohnen und arbeiten. „Eine kleine Stadt“, schwärmt Becken. Doch sind nur verschwindende sieben Prozent der insgesamt 90.000 Quadratmeter Geschoßfläche, in die Becken 500 Millionen Mark investiert, zum Wohnen vorgesehen. Zur Auflockerung der dichten Bebauung soll es Innenhöfe und öffentliche Plätze geben. Kossak lobte das „Kunststück“des Architekten Jan Störmer, „die große Masse elegant und funktionstüchtig“auf einer relativ kleinen Fläche untergebracht zu haben.

Daß Hochhäuser gebaut werden, hat finanzielle Gründe: Becken erhielt das Grundstück von der Stadt, weil die Polizei ihr Domizil wegen der Asbestverseuchung verlassen will. Dafür verpflichtete er sich, ein neues Präsidium in Alsterdorf „schlüsselfertig“zu übergeben. Um für das Gelände am Berliner Tor einen hohen Kaufpreis zu erzielen, stimmte die Bürgerschaft 1997 zu, 90.000 Quadratmeter Bebauung zuzulassen.

„Uns war klar, daß man das ohne Hochhaus nicht hinkriegen würde“, erläutert die stadtentwicklungspolitische Sprecherin der GAL, Heike Sudmann, daß auch sie den Störmer-Entwurf befürwortet. Angesichts der „schwierigen Ausgangssituation“habe man „das Beste rausgeholt“. Der CDU-Abgeordnete Bernd Reinert mahnt, Hamburg „sollte sich bemühen, die Innenstadtsilhouette zu bewahren“.

So geschehe es, verspricht Peter Illies, Stadtplanungschef im Bezirk Mitte, der die „klassische Komposition“des Entwurfs schätzt und ihn für „städtebaulich verträglich“hält. Die „Kirchturm-Silhouette“werde „nicht gestört“. Das neue Quartier könne ein „Entlastungsort für die Innenstadt“werden, doch sollte der Wohnungsanteil „deutlich gesteigert“werden.

„Schrecklich“findet nur der CDU-Fraktionschef in Mitte, Hartwig Kühlhorn, die „unmaßstäblichen Pläne“. St. Georg drohe ein „Klein-Manhattan“, denn an der benachbarten Fachhochschule seien auch drei 15geschossige Hochhäuser geplant. Doch eine „neue Hochhaus-Debatte“vermag der Oberbaudirektor nicht zu erkennen. Heike Haarhoff

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