piwik no script img

Hoher Besuch beim Wannseekreis

■ General a. D., Reinhard Uhle-Wettler, "Hansdampf in allen rechten Gassen", referiert vor Zehlendorfer CDU-Mitgliedern über Gefahren für Nation und Demokratie, durch Euro und Globalisierung

Die Stimmung war angespannt. „Wir müssen die wirklichen rechten Kräfte vernetzen.“ „Das Problem ist, der Schlierer („Republikaner“-Vorsitzender — d. Red.) bekommt seine Leute nicht mehr eingefangen.“ „Die Arbeitslosigkeit ist das Problem Nummer eins.“ „Der Euro löst unsere Nation auf“ – die Themen, die den BesucherInnen des Wannseekreises gestern auf den Nägeln brannten, spiegeln die Palette wieder, die jenseits der offiziellen Parteilinie längst am ganz rechten Rand der CDU für Unruhe sorgen.

Die Unruhe tagte gestern direkt an der Autobahn, im lauschigen Speiseraum der Raststätte Grunewald. Dorthin hatte der Wannseekreis von Mitgliedern der Zehlendorfer CDU eingeladen. Dessen Veranstalter, Ortwin Kuhn und Georg Klaffus, hatten im vergangenen Jahr zuvor in einem an CDUlerInnen bundesweit versandten Brief gegen „den pathologischen Philosemitismus“ und die „Aufwendungen für Ausländer, Asylbewerber und Bürgerkriegsflüchtlinge“ mobil gemacht. Wohl deshalb hatte der Geschäftsleiter des Literarischen Colloquiums, Ulrich Janetzky, im Herbst vergangenen Jahres beschieden, den dort tagenden Wannseekreis des Hauses zu verweisen: „Rechtsradikale und antisemitische Parolen haben bei uns keinen Platz.“

Gestern nun lud Kuhn zur Diskussion mit dem General a.D. Reinhard Uhle-Wettler. Unter dem Motto „Die Canossa-Republik und das Europa der Vaterländer“ wollten die etwa 60 Konservativen aus CDU und deren Umfeld diskutieren, wie es mit der Bonner Republik und dem vereinten Europa – vor allem aber mit dem Euro – weitergehen soll. Uhle- Wettler hat sich seit seiner Pensionierung längst als „Hansdampf in allen rechten Gassen“, wie es der sozialdemokratische Rechtsextremismusexperte Anton Maegerle ausdrückt, gemausert. Er kämpft für eine „einige und starke Rechte“ und forderte bereits, „die inländischen Kollaborateure und Opportunisten abzulösen und den ausländischen Erpressern und Unterdrückern mit Klugheit und kühlem Kopf entgegenzutreten“.

Gestern bot Uhle-Wettler den unzufriedenen und suchenden Konservativen im Grunewald einen neuen Feind an: die Globalisierung. Denn, wie er in einem historischen Phasenmodell darlegte, „die Globalisierung ist ein weiterer Schritt im Siegeszug des Kapitalismus im 20. Jahrhundert“. Dagegen sei „der Nationalsozialismus ein weniger bedeutendes Zwischenspiel“. „Krebsartig“, so Uhle.- Wettler, „breitet der Kapitalismus seine Herrschaft aus“, und am Ende stehe „der Sieg des Marxismus“. Die Liberalisierung der Finanzmärkte auch durch den Euro zerstöre die Nationalstaaten, die Globalisierung zerstöre die Demokratie, und „das Grundgesetz ermöglicht solche Zustände“. „Es ist leicht, die künftigen Phasen vorherzusehen“, beschied Uhle-Wettler: „Die 20:80 Gesellschaft führt zu Spannungen, wie Karl Marx sie vorhergesehen hat. Und dann heißt es wirklich ,Proletarier aller Länder vereinigt Euch‘“.

Angesichts des verbreiteten Unmuts gegen den Euro und angesichts solch finsterer Aussichten entstand Unruhe im Publikum. Wollten die einen noch die Vernetzung der rechten Kräfte, setzen andere auf brachialere Lösungen. „Das Sytem muß erst zerbrechen“, mutmaßte eine Besucherin, erst dann könnten die „wahren Fundamente der deutschen Nation wieder zum Tragen kommen“. Den Parteien, selbst der CDU mochte im Grunewald keine und keiner mehr zutrauen, die anstehenden Probleme zu lösen. Barbara Junge

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen