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■ KommentarLiberale Großstadtpolitik

Ganz unaufgeregt macht der Regierende Bürgermeister klar, daß er noch immer in Berlin die Politik bestimmt. Und noch eines zeigt Eberhard Diepgen unmißverständlich: Christdemokratische Politik muß sich in der Hauptstadt zumindest nicht zwangsläufig auf ausländerfeindliche Sprüche oder populistische Schnellschüsse reduzieren.

Die erste Innenstadtkonferenz steht unter dem Motto der Bildungspolitik und der Überwindung der Sprachprobleme von Nicht-Deutschen – nicht die Sicherheitspolitik, nicht die soziale oder gar ethnische Zusammensetzung von Bezirken stehen an erster Stelle im Konzept Diepgens. Zwar geht der Regierende in seinen bisherigen konzeptionellen Überlegungen nicht über das hinaus, was ohnehin gängige Praxis oder in Verordnungen bereits vorgeschrieben ist – aber er schlägt eine Richtung ein, die sich dem Problem der mangelnden Integration substantiell nähert. VertreterInnen von Türkischer Gemeinde und Türkischem Bund pochen längst darauf, daß für den Rückzug gerade junger ImmigrantInnen nicht in erster Linie ein positiver Bezug auf die Tradition, sondern vielmehr die soziale Ausgrenzung verantwortlich ist. Um Ausgrenzungen allerdings zu vermeiden, muß das Bildungssystem der multikulturellen Realität angepaßt werden, ebenso wie Anpassungsleistungen von ImmigrantInnen erforderlich sind.

Mit punktuellen Konferenzen, die eher der dringend notwendigen Profilierung des Senats und als Forum schöner Worte dienen als der tatsächlichen Veränderung, ist noch nicht viel gewonnen. Auch bei Sonntagsreden kommt es aber darauf an, welche politische Vorgabe darin verpackt wird. Schon vor einer Woche hatte Eberhard Diepgen bündig die aufs Tablett gebrachten populistisch-motivierten Zuzugssperren abgelehnt. Statt dessen setzt er darauf, die fehlende Integration als soziales Problem und nicht als Ausländerproblem zu begreifen. Nach monatelangen Auseinandersetzungen in der CDU um die Rolle des Landesvorsitzenden Eberhard Diepgen und um die künftige Linie der Partei setzt der Regierende damit auch für die CDU seine Politik einer liberalen Großstadtpartei auf die Tagesordnung der Innenstadtkonferenz. Barbara Junge Seite 23

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