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■ Kosovo: Die internationale Gemeinde muß sich massiv einmischenDie Dynamik des Krieges

Im Kosovokonflikt stehen sich die serbische und die albanische Seite unversöhnlich gegenüber. Alle diplomatischen Anstrengungen zur Verhinderung eines Krieges scheinen zu scheitern. Zwar hat die aus den USA, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Rußland und Italien bestehende Kontaktgruppe dem serbischen Präsidenten Slobodan Milošević ein Ultimatum bis zum 29. April gestellt. Bis dahin sollten Verhandlungen zwischen der serbischen und der kosovoalbanischen Führung aufgenommen werden und die serbischen Truppen aus den Konfliktgebieten zurückgezogen sein. Aber Milošević hat deutlich gemacht, daß er sich im Kosovo von niemanden etwas vorschreiben lassen will.

Indem die serbische Bevölkerung am vergangenen Donnerstag in einem Referendum die internationale Vermittlung abgelehnt hat, steigt die Wahrscheinlichkeit einer militärischen Eskalation.

Für die Mehrheit der Serben ist Kosovo ein unverzichtbarer Bestandteil der serbischen Mythologie. Gleichzeitig ist er aufgrund der Bodenschätze Objekt handfester wirtschaftlicher Interessen. Darüber hinaus befürchten viele, daß sich nach einer Autonomie Kosovos auch die Muslime des Sandzaks und das gesamte Montenegro aus der Föderation mit Serbien verabschieden. Mit Kosovo, so glauben viele, steht und fällt der serbische Staat in seiner heutigen Form.

Aufgrund der rassistischen Verachtung, die den „Skipetaren“ entgegenschlägt, sehen sich die Kosovo- Albaner als eine diskriminierte Minderheit. Seit der Aufhebung des Autonomiestatus' im Jahr 1989 leben sie in einem Apartheitstaat. Inzwischen ist die Strategie des passiven Widerstands der Bereitschaft zum bewaffneten Widerstand gewichen. Dem in Untergrundwahlen bestimmten Präsidenten Ibrahim Rugova ist es nicht gelungen, die internationale Gemeinschaft von der Strategie des passiven Widerstands zu überzeugen. Diese war lediglich daran interessiert, daß Rugova für Ruhe im Kosovo sorgt.

Der Satz, „ich will lieber sterben als so weiterleben“, signalisiert einen Bewußtseinswandel. Nur wenige Kosovo-Albaner halten eine gemeinsame Zukunft mit Serbien für möglich. Weil die serbischen Streitkräfte seit der Niederlagen in Kroatien und Bosnien nicht mehr als unbesiegbar erscheinen, gewinnt auch auf albanischer Seite die militärische Option an Attraktivität. Noch sind die Kräfte schwach, die einen Krieg führen könnten. Allerdings darf als gesichert gelten, daß Ausbildungslager in Nordalbanien bestehen, daß Mitglieder der „Befreiungsarmee des Kosovo“ (UCK) in das Land einsickern.

Von der Landbevölkerung wird der UCK nicht einmal nachgetragen, daß ihre Aktionen serbische Gegenreaktionen heraufbeschwören, unter denen vor allem sie zu leiden hat. Die Behauptung der serbischen Führung, es handele sich bei ihren Militäraktionen um einen „Kampf gegen den Terrorismus“, widerlegt sie selbst. Mit dem offenen Auftreten der Jugoslawischen Armee im Kosovo, wird die Armee gegen „Bürger des eigenen Staates“ eingesetzt. Die zeigt, worum es wirklich geht: die Sicherung des Territoriums für Serbien. Die bereits 1988 formulierten Pläne der Milošević-Administration, einen großen Teil der albanischen Bevölkerung aus dem Kosovo zu vertreiben, liegen wieder auf dem Tisch.

Mit jeder weiteren Militäraktion schwindet die letzte Möglichkeit eines Kompromisses, nämlich Kosovo zu einer mit Montenegro und Serbien gleichberechtigten Republik innerhalb einer neuen jugoslawischen Föderation zu machen. Nur eine internationale Vermittlung kann diese Option noch durchsetzen. Mit dem Referendum ist diese Möglichkeit allerdings (vorerst) verbaut. Die Kontaktgruppe muß jetzt ein deutliches Zeichen setzen. Die von Nato-Generalsekretär Solana verkündete Strategie, die Nato würde den Nachbarstaaten Albanien und Makedonien helfen, „die Grenzen zu sichern“, reicht ebensowenig aus wie jene Planspiele, „Korridore für die Flüchtlingsströme“ aus dem Kosovo nach Südalbanien in Makedonien einzurichten. Um ein Blutbad zu verhindern, müssen viel stärkere Argumente ins Spiel gebracht werden. Erich Rathfelder

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