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Umwelt nicht gegen Einwanderer ausspielen

■ Mitglieder des größten US-Ökoverbands stimmten gegen strikte Einwanderungspolitik

Washington (taz) – Der Sierra Club, Amerikas größte und älteste Umweltorganisation, wird künftig in einer von Amerikas leidenschaftlichsten Debatten keine Position beziehen, in der Frage nämlich, ob Einwanderung begrenzt werden soll – der Umwelt zuliebe. 39 Prozent votierten dafür, daß der Sierra Club eine solche Beschränkung der Einwanderung in sein Programm aufnimmt. 60 Prozent waren dagegen, wollten, daß ihr Umweltverband in dieser Frage neutral bleibt.

Mehr als jeder Siebte der 550.000 Mitglieder gab seine Stimme ab, ein Viertel mehr als sonst üblich. Der Sierra Club ist eine der wenigen Organisationen, die durch Briefwahl ihre Führung und durch Mitgliederbefragung die Richtlinien ihrer Politik bestimmt. Am Samstag kamen die Wahlzettel zurück, die dieses Jahr auch zwischen den Alternativen A und B in der Frage der Immigration zu entscheiden hatten (taz vom 21. 4. 98).

Vergangenes Jahr sammelte eine kleine Gruppe innerhalb des Clubs Unterschriften und verlangte, den Zusammenhang zwischen ungezügeltem Bevölkerungswachstum und Übernutzung der Umwelt zu erkennen und – das war die Alternative A – eine aktive und auf die amerikanischen Verhältnisse zugeschnittene Bevölkerungspolitik zu betreiben. In Amerika nämlich wird die gegenwärtige Bevölkerung von 260 Millionen sich bis zum Jahre 2050 fast verdoppeln – ein Drittel davon wird auf Immigration zurückgehen. Ihr Anteil erhöht sich gar auf 80 Prozent, wenn man die Einwanderer und deren Nachkommen zusammenrechnet.

„Diese Initiative wurde abgeschmettert“, berichtete fröhlich Bruce Hamilton, nationaler Koordinator des Sierra Clubs, nach der Abstimmung. Die Mehrheit sprach sich für die Alternative B aus, die vom Sierra Club verlangt, in dieser Frage neutral zu bleiben. Enttäuscht hingegen ist Alan Kuper, der die Initiative gestartet hatte. Er erklärt sich die Niederlage eher durch Imageprobleme als inhaltlich: „Wer gegen Immigration ist, steht leicht als Rassist da.“ Dabei sei es nur darum gegangen, zu alten Positionen zurückzufinden, „die der Sierra Club schon 1970 formuliert hatte“. Damals hatte der Umweltverband noch verlangt, daß die Immigration sich dem Ziel der Bevölkerungsstabilisierung unterzuordnen habe.

„Schwer zu sagen, welche Motive hinter dem heutigen Votum stehen“, sagte Sierra-Club-Koordinator Bruce Hamilton. „Es ist gut möglich, daß sich unter diesen 60 Prozent sowohl Gegner als auch Befürworter einer großzügigen Immigrationspolitik befinden. Im Sierra Club gibt es zu dieser Frage sicherlich ein ebenso weites Meinungsspektrum wie zur Frage, ob man besser Vegetarier sein solle.“

In einem herrsche aber offenbar Übereinstimmung, ergänzte Hamilton: „Der Sierra Club ist nicht der geeignete Verein für die Beeinflussung der amerikanischen Einwanderungspolitik.“ Zwar bestehe beispielsweise ein deutlicher Zusammenhang zwischen einer ökologisch ruinösen Landwirtschaft in Kalifornien und der Zufuhr billiger Landarbeiter aus Mexiko, das Problem aber könne nur durch die Entwicklung nachhaltiger Landwirtschaft und andere Konsumgewohnheiten gelöst werden sowie durch Geburtenkontrolle in Mittelamerika. Der falsche Weg sei es dagegen, die USA zum „Rettungsboot erster Klasse für das vom Untergang bedrohte Raumschiff Erde“ zu erklären.

„Ja, wir müssen unsere Konsumgewohnheiten ändern“, entgegnet Abstimmungsverlierer Kuper, „aber alle Fortschritte, die wir in dieser Richtung machen, werden durch wachsende Bevölkerungszahlen aufgezehrt. Wenige Leute machen sich bewußt, daß wir nach China und Indien nicht nur die größte, sondern auch die am schnellsten wachsende Bevölkerung haben.“ Peter Tautfest

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