Preis für Ibrahims Freunde

■ Die Neustädter Schülergruppe „Ibrahim muß bleiben“ist am Donnerstag zu Gast bei Bundespräsident Roman Herzog im Berliner Schloß Bellevue / Engagement belohnt

Die Schüler in der Neustädter Projektgruppe „Ibrahim muß bleiben“heimsen für ihr Engagement zugunsten ihres von Abschiebung bedrohten Mitschülers Ibrahim A. einen Preis nach dem anderen ein. Just vor einem Monat wurden sie von der Theodor-Heuß Stiftung für ihr „Demokratisches Handeln“ausgezeichnet und zur Lernwerkstatt nach Stuttgart eingeladen. Nun muß sich eine Schülerdelegation auf den Weg zu Roman Herzog machen: Am kommenden Donnerstag ist die Projektgruppe zum Empfang ins Schloß Bellevue, das Berliner Palais des Bundespräsidenten, geladen. Erwartet werden 70 SchülerInnen aus ganz Deutschland, die an einem Symposium der Robert Bosch Stiftung zum Thema „Schule und Deutsche Einheit“teilnehmen.

Bei diesem Anlaß können die 16jährige Nora Neuhaus und ihr Mitschüler Paul Bruns (15) vom Schulzentrum an der Kornstraße einmal mehr um Fürsprache für ihren togoischen Mitschüler bitten und sehen, ob sich der deutsche Präsident nicht persönlich bei Bremens Innensenator Ralf Borttscheller (CDU) einsetzen mag. Zwar ist der 16jährige Ibrahim, gegen dessen Abschiebung sie sich nun schon seit zehn Monaten erfolgreich zur Wehr setzen, zur Zeit nicht akut gefährdet – von Abschiebung bedroht aber ist sein Bruder Abbas, der im vergangenen Monat volljährig wurde und seitdem nicht mehr unter den Schutz der Haager Minderjährigenkonvention fällt. Bis zum 4. Mai läuft eine letzte Duldung – dann soll der 18jährige sagen, wie und für wann er sich seine „freiwillige Ausreise“vorstellt. Was aber soll – so fragt Paul Bruns – sein Freund Ibrahim noch hier, wenn der Bruder zurück nach Togo muß und der Rest der Familie tot oder verschwunden ist: „Alleine bleibt Ibrahim nicht!“

Eine saubere Lösung des Problems für Bremens Innensenator? Nein, so leicht werde man es Borttscheller nicht machen, betonten die Schüler gestern im Rahmen der offiziellen Bekanngabe ihrer erneuten Auszeichnung. Wenn „Ibo“seinen Bruder nicht allein nach Togo gehen lasse, betonte Eva Koball, das habe doch nichts damit zu tun, „wie fürchterlich es da ist“.

Ein Beispiel für einen „Werteverfall“der Bremer Jugend habe der Innensenator ihre Aktivitäten genannt, berichteten die Schüler. Gestern aber konnten sie vor allem Lob einheimsen. Statt sich der vielbeklagten Parteienverdrossenheit hinzugeben, sei die Gruppe immer wieder „Schritte in das System rein“gegangen, so Hans Wolfram Stein, der Bremer Regionalvertreter von „Demokratisch Handeln“. Mit Demos, Plakataktionen, Bürgeranträgen an Beiräte und den Petitionsausschuß hätten sie gezeigt: „Wir wollen mit allen legalen und außerparlamentarischen Mitteln den Zustand einer unmenschlichen Gesetzeslage verändern“. Und das Irre sei: Sie hätten damit Erfolg gehabt. Im Januar habe Ralf Borttscheller die Anordnung erlassen, daß unbegleitete Minderjährige nicht mehr abgeschoben werden dürfen. An Bremens Innensenator appellierte der Bremer Lehrer, dazu zu stehen. „Politisch hat Herr Borttscheller rübergebracht: Ein Lebenszusammenhang ist für Jugendliche wichtig. Großartig!“Dann müsse der zweite Schritt sein, die Brüder nicht auseinanderzureißen und sie hier ihren Schulabschluß machen zu lassen, sagte Stein. Auch um „ein Zeichen“zu setzen gegen eine Politikerverdrossenheit, wie sie sich in Sachsen-Anhalt gezeigt habe, wo jeder dritte Jungwähler ausländerfeindlich wählte.

Anne Freuthal, die 16jährige aus dem Innercircle der Projektgruppe, betont patzig-nett, daß es nicht nur um Politik gehe, sondern um alltägliche Toleranz: „Woanders sehe ich 'ne Frau und denke; Wer ist denn diese aufgetakelte Tussi. Wenn die bei Ibo reinkommt, weiß ich: Die ist in Ordnung.“ ritz