piwik no script img

"Keine Gemeinsamkeiten mit der CDU"

■ Sachsen-Anhalts Bauminister Jürgen Heyer (SPD) ist gegen eine Koalition mit der CDU. Er und Dutzende andere Unterzeichner eines Positionspapiers verlangen statt dessen eine Zusammenarbeit mit der PDS. M

taz: Wollen Sie mit Ihrer Forderung den Wahlsieg von Gerhard Schröder im Herbst vereiteln?

Jürgen Heyer: Das wollen wir nicht. Gerhard Schröder muß im Herbst zum Bundeskanzler einer sozialdemokratisch geführten Bundesregierung gewählt werden. Es gibt aber unterschiedliche Stimmungen im Westen und im Osten. Im Westen empfindet man die Tolerierung durch die PDS als heikel. Hier im Osten ist das überhaupt kein Problem. Es ist anerkannt. Und es hat dazu geführt, daß in Sachsen-Anhalt die Sozialdemokratie als Stimme des Ostens gesehen wird.

Viele Wähler, die bei dieser Landtagswahl zum ersten Mal SPD gewählt haben, bombardieren uns jetzt geradezu mit Anrufen: Wir werden niemals mehr SPD wählen, wenn Ihr jetzt mit der CDU zusammengeht. Deshalb ist es wichtig, diesen Wählern deutlich zu machen, daß in der SPD viele Leute einer Großen Koalition skeptisch gegenüberstehen.

Aber es gibt nun mal viel mehr Wähler im Westen als im Osten Deutschlands. Bei der Mehrheit der potentiellen SPD-Wähler könnten Sie Ängste wecken.

Ich glaube nicht, daß eine Zusammenarbeit mit der PDS Ängste weckt. Im übrigen scheint mir auch nicht, daß die CDU sehr ernsthaft an einer Großen Koalition interessiert ist. Sie spricht immer wieder davon, die Voraussetzung für eine Koalition sei ein Politikwechsel im Land. Diese Forderung ist wirklich lächerlich. Die CDU ist mit ihrem Wahlergebnis geradezu abgestürzt. Und sie zieht jetzt noch nicht einmal personelle Konsequenzen. Sie mutet uns Verhandlungen zu mit ihrem gerade neugewählten Fraktionschef, der auch der alte war, und mit ihrem Parteichef, der keinerlei Schlüsse aus der Wahl gezogen hat.

Vermuten Sie, daß die CDU die Hürden bei Koalitionsgesprächen mit Absicht hoch legt, um Sie in die Arme der PDS zu treiben?

Vieles spricht dafür.

Wie wollen sie mit der PDS zusammenarbeiten? Wollen Sie eine Koalition oder eine Tolerierung Ihrer Minderheitsregierung?

Ich bin für eine Tolerierung. Eine Koalition mit der PDS kommt nicht in Frage, irgendein Vertrag ebenfalls nicht. Es hat ja auch bisher keine festen Absprachen gegeben.

Aber ist nicht durch den Einzug der DVU in den Landtag eine lockere Tolerierung unmöglich geworden? Bei geheimen Abstimmungen weiß man nie, ob die Stimmen von den Rechten kommen. Der bloße Verdacht wäre doch verheerend für die SPD.

Gemessen an der Ausrichtung der DVU halte ich es für ausgeschlossen, daß sie in der geheimen Wahl für einen Ministerpräsidenten Reinhard Höppner stimmt.

Und bei geheimen Abstimmungen zu Sachfragen?

Über Sachfragen wird in aller Regel offen abgestimmt.

Aber die CDU könnte – aus taktischen Gründen – geheime Abstimmungen beantragen.

Offen gestanden habe ich im Landtag so etwas noch nicht erlebt.

Welche Inhalte wollen Sie mit der PDS durchsetzen, die mit der CDU unmöglich wären?

In den letzten vier Jahren hatten wir keinerlei Gemeinsamkeiten mit der CDU. Die CDU fordert Kürzungen auf dem zweiten Arbeitsmarkt, sie hat im Wahlkampf massive Eingriffe in Leistungsgesetze verlangt – das ist mit uns nicht zu machen. Ich sehe auch nicht, daß man bei der inneren Sicherheit zu einer gemeinsamen Haltung kommen kann.

Sie hätten die CDU als zersausten Juniorpartner in der Koalition: zwölf Prozent Verluste, in Bonn auf dem absteigenden Ast. Wäre es nicht einfach, mit einer solchen Partei zu regieren. Sie sind doch in der stärkeren Position.

Das wäre einfach, wenn die CDU in Sachsen-Anhalt nicht der verlängerte Arm des Konrad-Adenauer-Hauses wäre.

Erwarten Sie wirklich, daß es eine Zusammenarbeit mit der PDS gibt, oder fordern Sie sie nur aus taktischen Gründen?

Wir werden versuchen, mit der CDU Gemeinsamkeiten zu finden. Das wird außerordentlich schwierig werden. Ich kann mir eigentlich eher ein Scheitern dieser Verhandlungen vorstellen. Interview: Toralf Staud

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen