München verordnet Sippenhaft

■ Bundesweit erstmalig will der CSU-Kreisverwaltungsreferent türkische Eltern für immer ausweisen, weil ihr 13jähriger Sohn kriminell ist. SPD fordert die Vorlage der Rechtsgrundlage

München (dpa/taz) – Erstmals in Deutschland sollen ausländische Eltern wegen der schweren Straftaten ihres strafunmündigen Sohnes aus Bayern ausgewiesen werden. Münchens Kreisverwaltungsreferent Hans-Peter Uhl (CSU) stellte den türkischen Eltern eines 13jährigen Jugendlichen gestern einen Ausweisungsbescheid zu. Das seit 20 Jahren in München lebende Ehepaar soll Deutschland gemeinsam mit dem Sohn bis zum 21. Juli verlassen und darf nie wieder einreisen. Die Behörde ordnete Sofortvollzug an.

Dem in Deutschland geborenen Jugendlichen werden 61 Straftaten zur Last gelegt, darunter gefährliche Körperverletzung, Erpressung, Raub und Diebstahl. Bereits als Siebenjähriger begann der Junge, seine Klassenkameraden zu terrorisieren, zu erpressen und zu verletzen. Den Eltern, die selbst als unbescholten gelten, werfen die Behörden Untätigkeit bei der Erziehung und „gröbliche Verletzung“ ihrer Aufsichtspflicht vor. Da sie sich beständig weigerten, auf ihren Sohn einzuwirken, hatte der Direktor zuletzt den Jungen von der Schule verwiesen. Zwei mittlerweile volljährige Söhne der Familie sind von der Ausweisung nicht betroffen.

Die CSU hatte vor zwei Wochen die Ausweisung von Eltern jugendlicher Straftäter verlangt, wenn ihnen eine absichtliche Verletzung der Aufsichtspflicht nachgewiesen werden könne. Dieser Vorstoß war von der SPD und den Grünen als „Wiedereinführung der Sippenhaft“ kritisiert worden.

Der Münchner SPD-Chef Franz Maget forderte gestern Innenminister Günther Beckstein (CSU) auf, die Rechtsgrundlage für die beabsichtigte Abschiebung der Familie vorzulegen. Uhl hatte erklärt, sein Vorgehen werde von Beckstein „nachhaltig unterstützt“. Er räumte ein, daß die jetzt angeordnete Ausweisung vor Gericht möglicherweise keinen Bestand haben werde. Dann müsse das Ausländergesetz geändert werden.

Uhl begründete sein Vorgehen mit dem gesetzlichen Verbot, Minderjährige auszuweisen oder von ihren Eltern zu trennen. Deshalb müßten die zu erwartenden „fortlaufenden, schwerwiegenden Gefahren“ durch den Jungen durch die gemeinsame Beendigung des Aufenthalts von Eltern und Kind unterbunden werden. cva