: Taschengeld soll Haushaltsloch stopfen
■ Sozialressort hat Behinderte im Spar-Visier / Sozialdeputation bekommt kalte Füße und vertagt die Vorlage / Senatorin Wischer muß noch in diesem Jahr 30 Millionen Mark einsparen
Weniger Taschengeld für behinderte HeimbewohnerInnen und Kürzungen beim Pflegegeld für Schwerstbehinderte: So will sich das Sozialressort gesundsparen. Das geht aus einer Vorlage hervor, die die Sozialdeputation am Donnerstag eigentlich absegnen sollte. Doch die SPD- und CDU-Deputierten haben ob der geplanten Einschnitte im Behindertenbereich offenbar kalte Füße bekommen: Sie vertagten das Thema auf die nächste Sitzung im Juni. „Wir werden jetzt sehen, ob uns etwas besseres einfällt“, sagt Silke Striezel (CDU).
Was dem Sozialressort eingefallen war, hält die grüne Sozialpolitikerin Karoline Linnert für einen „Mörder-Sparkatalog“. Sozialsenatorin Tine Wischer (SPD) steht mächtig unter Spardruck. Sie muß ihren Haushalt noch in diesem Jahr um 30 Millionen Mark eindampfen – wegen der dramatischen Bremer Haushaltslage. Bis Ende November müssen alle Ressorts ihre vom rot-schwarzen Senat auferlegten Sparquoten irgendwie erfüllen.
Wischers Sparvorschläge: Verkauf von ungenutzten Spielflächen (fünf Millionen Mark), schrittweise Aufgabe von Asylbewerberunterkünften (acht Millionen Mark) und der Behindertenbereich: So könnte das gesetzlich vorgesehene Taschengeldbudget für behinderte Menschen, die in Heimen leben, um 600.000 Mark gekürzt werden. Davon wären 1.600 Leute betroffen, die dann auf 40 Mark im Monat verzichten müßten. Auch beim Pflegegeld sieht das Ressort Einsparmöglichkeiten von bis zu zehn Prozent (700.000 Mark). Noch erhalten rund 1.000 schwerstbehinderte Menschen völlig einkommensunabhängig ein Pflegegeld (bis zu 750 Mark monatlich) vom Land – für den Mehraufwand im täglichen Leben, den eine Schwerstbehinderung mit sich bringt. Zum Beispiel für den Einsatz von Hilfskräften wie Gebärdendolmetscher. Hier sieht die Behörde Einsparpotentiale, weil immer mehr Behinderte von der Pflegeversicherung unterstützt würden.
Doch die Koalitionsdeputierten blockten eine Diskussion über diese Punkte ab: „Wir wollen nicht Menschen etwas abknapsen, die ohnehin schon genug gekniffen sind“, erklärt die CDU-Deputierte Silke Striezel. Sie will jetzt in der Koalition „andere Lösungen finden“– zum Beispiel mehr SozialhilfeempfängerInnen durch Programme in Arbeit zu bringen, um Sozialhilfe zu sparen. Dabei steht in Wischers Sparvorlagen beim Programm „Hilfen zur Arbeit“: Einsparpotential rund zwei Millionen Mark. Kritiker befürchten, das Angebot an Jobs solle reduziert werden. Behördensprecher Holger Bruns dementiert: Die Summe sei aus gesparter Sozialhilfe der Vorjahre zusammengekommen.
„Die Koalition hat sich vor der Aussage gedrückt, daß das Ressort am Ende ist und einfach nicht mehr seriös und sozialverträglich sparen kann“, kritisiert die grüne Sozialpolitikerin Karoline Linnert, „mutige Leute sollten jetzt aufstehen und das sagen.“Protest regt sich auch bei den Behindertenverbänden. „Hier soll auf Kosten von behinderten Menschen gespart werden, weil alle glauben, daß wir uns nicht wehren. Aber das Gegenteil wird der Fall sein“, kündigt Horst Frehe vom Verein „Selbstbestimmt Leben“an. So wird am 5. Mai auch in Bremen der „Behindertentag“begangen. Vereinsleute vermuten deshalb, daß die Sparvorlage aus diesem Grund so panikartig vertagt wurde: Denn das ist bekanntermaßen der Tag, an dem es ohnehin schon für die Politiker jede Menge öffentliche Schelte hagelt. kat
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