: Im flackernden Flutlicht von Umtata
■ 17 Bremer Jungs aus der Gesamtschule Mitte touren als Hockeymannschaft durch Südafrika
nd jetzt singt ihr doch mal eure Nationalhymne! 17 Bremer Jungs und ihre zwei erwachsenen Betreuer gucken ihre Gastgeber betreten an. Die haben gerade in moderner südafrikanischer Multi-Kulti-Eintracht die beiden Teile ihrer offiziellen Hymne fehlerfrei und vielstimmig dargeboten. Und jetzt sind also die Deutschen dran. Doch die können den richtigen Ton nicht finden. „Mensch, laß uns doch einfach singen“, findet einer der Schüler von der Gesamtschule Mitte. „Nee, wir können doch den Text überhaupt nicht“, wendet ein anderer ein. Schließlich beendet einer der Betreuer das peinliche Schweigen mit einer wortreichen Erklärung des gespaltenen Verhältnisses, das Deutsche zu ihrer nationalen Identität pflegen. „Aber wir wollen doch nur singen“, entgegnen die Schülerinnen der Begegnungsgruppe etwas konsterniert und stimmen das nächste Lied an. Uli Barde faßt derweil einen Beschluß: „Nächstes Mal üben wir das vor der Fahrt.“
Der hauptamtliche Mitarbeiter der Kinder- und Jugendinitiative Schildstraße im Kulturzentrum Lagerhaus hat die dreiwöchige Osterferien-Südafrikareise eineinhalb Jahre lang perfekt vorbereitet. Nur die Nationalhymne stand nicht auf dem Programm. Und deshalb müssen die Bremer jetzt stumm dem nächsten Klicklaut-Lied zuhören. Die Begegnungsgruppe singt in Isixhosa, der Sprache von Umtata. Hierher, weitab der gängigen Touristen-Reiserouten, hat es die Bremer Schüler nämlich auf der Suche nach der Vielfalt Südafrikas verschlagen. Drei vollgestopfte Tage liegen hinter ihnen, jetzt wird auf einer Gartenparty Abschied gefeiert.
Eigentlich sind die Bremer nicht zum Singen nach Südafrika gekommen. Sie alle haben seit Jahren an der GSM Hockey gespielt. Jetzt, zum Abschluß der Sekundarstufe I, wollten sie das auch mal in einem Land tun, in dem Hockey nicht wie in Deutschland ein Schattendasein fristet. Und über den gemeinsamen Sport auch die Menschen kennenlernen. Malaysia und Südafrika standen zur Auswahl, die besseren Kontakte ans Kap gaben schließlich den Ausschlag.
Über ein Jahr lang haben die Schüler mit Benefizturnieren und Flohmarktverkäufen Geld gesammelt. Einige öffentliche Zuschüsse kamen dazu, so daß die Eltern am Ende nur noch 1.800 Mark für die Abschlußreise ihrer sportbegeisterten Söhne zusteuern mußten. Die hatten sich in Bremen als Mannschaft des HC-Horn bis auf den 5. Platz der Punktrunde des Bremer Hockeyverbandes vorgearbeitet.
Schon gleich nach der Ankunft in Johannesburg mußten sie allerdings feststellen, daß das im hockeybegeisterten weißen Südafrika nicht für große Erfolge reicht. Auch in Durban verloren die Bremer in ihrer zweiten Sportbegegnung hoffnungslos. Um so wichtiger war die nächste Station für ihr wackelndes Selbstbewußtsein. Im schwarzen Umtata spielt Hockey wie in Bremen weit hinter Fußball nur eine kleine Nebenrolle. Mit 4:2 konnten die Gäste deshalb auf dem Rasen der Umtata High School den ersten Sieg holen – angefeuert von erprobten lokalen Cheerleaderinnen und nur wenig irritiert durch das ab und zu versagende Flutlicht. Eine Unterstützung bekamen die Bremer zudem durch das Fehlen des gegnerischen Torwarts.
Auch bei der Abschiedsparty springen die Cheerleaderinnen wieder für die Deutschen ein. Als denen weder ihre Nationalhymne noch sonst irgendein deutsches Liedchen über die Lippen kommen will, stimmen sie kurzerhand vielstimmig und akzentfrei „Heidi“an. Endlich sind die Gäste provoziert genug und finden doch noch ein Lied, das die meisten halbwegs kennen: „Auf der Reeperbahn nachts um halb eins“. Daß die Hamburgensie für eine Bremer Gruppe vielleicht nicht gerade der passendste Beitrag ist, stört in Umtata niemanden.
Dirk Asendorpf
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