: Krank zu werden ist einfach nicht angebracht
■ In Brüssel tagt ein internationales Forum zu Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie
Brüssel/Berlin (epd/taz) – Wer in der indonesischen Textilfabrik Sandrafine krank wird, muß bei der Rückkehr zum Arbeitsplatz mit einem Schild „Ich werde nicht wieder fehlen“ herumstehen. Das berichtete die indonesische Gewerkschafterin Emilia Yanti Ssiahaan in Brüssel vor der Jury des Ständigen Tribunals der Völker.
Bis zum heutigen Dienstag beschäftigen sich dort SoziologInnen, JuristInnen und MenschenrechtlerInnen aus aller Welt nach dem Vorbild der Russell-Tribunale zu Vietnam in den 70er Jahren auf einem Forum der „Kampagne für saubere Kleidung“ mit Menschenrechtsverletzungen in der Textilindustrie. Unternehmen oder verantwortliche Regierungen sind zu Stellungnahmen aufgefordert. Ziel sind freiwillige Verpflichtungen auf Sozialstandards.
Allerdings ist ein Kodex nur so gut wie seine Kontrolle. Sandrafine produziert die Hosen und Jacken nämlich für den US-amerikanischen Hersteller Levi's, der sich gern als Vorreiter im Einsatz für bessere Arbeitsbedingungen sieht und bereits 1992 eine Selbstverpflichtung entwickelt hat, die auch für die LieferantInnen gilt.
Sandrafine ist nicht der einzige Betrieb, der sich nicht an Vereinbarungen hält. Auch der Otto- Versand soll in seinen chinesischen Zuliefererbetrieben bis zu 150 Überstunden im Monat verlangen. Das verstößt nicht nur gegen den Otto-Kodex, sondern auch gegen chinesische Gesetze. Als in Bangladesch ArbeiterInnen des Nike- Zulieferers „Young One“ höhere Löhne und bessere Bedingungen verlangten, schlug die Polizei die Proteste nieder.
Doch die Kampagne sieht auch Erfolge: Immer mehr Großunternehmen fürchten den Imageschaden. Noch Ende des vergangenen Jahres hatte der schwedische Textilkonzern H&M über ein Netz von Subunternehmern philippinische Kinder zum Besticken von Pullovern beschäftigt. Seit Anfang 1998 macht ein Verhaltenskodex das unmöglich. Aber wenn die Vereinbarungen nicht nur dem Image, sondern auch auch den ArbeiterInnen dienen sollen, müßten sie weiterentwickelt werden, so Ingeborg Wick von der deutschen Sektion der Kampagne. Sowohl bei den KäuferInnen als auch bei den TextilarbeiterInnen sei mehr Aufklärung vonnöten.
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