Seewolf Raimund Harmstorf ist tot
Der Schauspieler hat sich erhängt. Am Samstag schrieb die „Bild“-Zeitung, er sei mit aufgeschnittenen Pulsadern durchs Dorf gelaufen. Diese Falschmeldung hat er möglicherweise nicht verwunden ■ Aus Marktoberdorf Klaus Wittmann
Erst vor wenigen Tagen war Raimund Harmstorf wieder nach Hause auf seinen Bauernhof gekommen. Zuvor war er in der Psychiatrie im Bezirkskrankenhaus behandelt worden, offenbar auf eigenen Wunsch hin und nicht, wie es zeitweise hieß, in der geschlossenen Abteilung.
Der als „Seewolf“ bekannt gewordene Schauspieler hatte in der 63-Einwohner-Gemeinde Selbensberg bei Marktoberdorf im Ostallgäu vor etwa sieben Jahren einen Bauernhof mit Blick auf die Alpen erworben. Am 6. April hatte er mit Tabletten einen Suizidversuch unternommen, bestätigte inzwischen Wilhelm Nagel, Oberstaatsanwalt aus Kempten. Er betonte, daß „Darstellungen in der Boulevardpresse, denen zufolge er sich die Pulsadern aufgeschnitten hat“, falsch gewesen seien.
Daß Harmstorf unmittelbar nach seiner Entlassung aus der Klinik erneut einen Selbstmordversuch unternehmen würde, damit hatte wohl niemand gerechnet. Empört reagiert man im Ort auf die Berichterstattung der Bild-Zeitung die am Samstag über Harmstorfs ersten Suizidversuch geschrieben hatte. Vom Aufenthalt in der geschlossenen Abteilung ist da die Rede und davon, daß der Schauspieler „blutend mit aufgeschnittenem Handgelenk über die Straße“ gelaufen sei. Landwirt Erhard sagt, Reporter einer Illustrierten seien am Samstag im Dorf gewesen und hätten ihm diesen Artikel gezeigt. Für Montag hätten sie mit Harmstorf einen Interviewtermin vereinbart. Genau das wurde auch in der Pressekonferenz von Staatsanwaltschaft und Polizei in Kempten wiederholt. Eduard Fischer von der Kriminalpolizei Kempten sagt, als dann auch noch am selben Abend ein privater Fernsehsender einen Hintergrundbericht, basierend auf dem der Boulevardzeitung brachte, sei Harmstorf nach den Worten seiner Lebensgefährtin schockiert gewesen. „Nun hat Herr Harmstorf keine Chance mehr gesehen, das zu korrigieren. Er sagte zu seiner Freundin, er sehe jetzt keinen Ausweg mehr.“
Am Abend zuvor hatten Harmstorfs Nachbarn heftig auf die Bild- Berichterstattung geschimpft. „Das hat er wahrscheinlich nicht mehr verkraftet“, sagte Bäuerin Erhard. Als sie am Morgen in den Stall gegangen sei, war schon die Polizei da. Auch ein Vertrauter Harmstorfs, der namentlich nicht genannt werden möchte, hat schwere Vorwürfe wegen des Samstagartikels erhoben. Er sagte: „Wenn man einem Kranken so was überbringt, der ohnehin schon gefährdet ist, dann überbringt man sein Todesurteil.“ Erschüttert zeigten sich auch die behandelnden Ärzte des Schauspielers. Die Berichterstattung über die Unterbringung in einer geschlossenen Abteilung sei „falsch und grauenhaft“ gewesen. Harmstorf sei heilbar gewesen und sollte gestern die Behandlung fortsetzen.
Seine Freundin erlitt nach dem Tod des Schauspielers einen Nervenzusammenbruch und mußte in einer Klinik behandelt werden. Die Menschen in Selbensberg hatten einen ausgesprochen guten Kontakt zum „Seewolf“. Sie zeigen Fotos von ihm, als er mit beim Dorffest war.
„Ich habe ihm immer wieder den Rasen gemäht, und wenn er etwas zu reparieren hatte oder er Werkzeug gebraucht hat, ist er gekommen und hat das bei mir geholt“, erzählt Landwirt Erhard. Einmal habe ihm Harmstorf sogar seine Harley Davidson ausgeliehen. „Der hat gesagt, nimm das Ding und fahre, als die Kinder so geschwärmt haben. So ein Nachbar war das.“
Voll des Lobes ist auch Zita Brugger, die sich um sein Haus und das Blumengießen kümmerte, wenn der Schauspieler auf Drehtermin war. Man habe ihn behandelt wie jeden anderen im Ort, und genau das habe er geschätzt. Freilich hätten sie auch immer wieder über seine Filmrollen gesprochen, berichtet Bauer Erhard. „Vor allem wenn er Theater gespielt hat, hat er erzählt, wieviel er wieder lernen muß.“
Englischsprachige Drehbücher hätten ihm nicht sonderlich zugesagt. Daß es mit seiner Gesundheit nicht zum besten stand, ahnten die Leute im Dorf. „Man hat was vermutet“, sagt Elfriede Erhard, „aber er hat nie ein Wort drüber gesprochen. Aber er ist schon langsam gelaufen in letzter Zeit, und er hat auch immer wieder recht langsam gesprochen.“ Portrait Seite 13