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AnalyseHungertaktik der Taliban

■ Afghanistan-Friedensgespräche ergebnislos abgebrochen

Die Friedensgespräche zwischen den afghanischen Bürgerkriegsparteien sind „auf unbestimmte Zeit vertagt“ worden. Die Taliban waren bei der Wiederaufnahme der Gespräche im pakistanischen Islamabad am Sonntag nur durch ihren Botschafter in Pakistan vertreten. Für die Gegenseite war dies ein Zeichen, daß die Taliban an einer Weiterführung der Gespräche nicht interessiert sind. Die fünfköpfige Taliban-Delegation war nicht mehr aus Kabul zurückgekehrt, womit sie wohl bewußt den Abbruch provozieren wollte. So verlas ihr Botschafter direkt nach dem Scheitern eine vorbereitete Erklärung, in der er der Nördlichen Allianz die Alleinschuld gab. Zugleich sagte er, es gebe keinen Grund für weitere Verhandlungen, da die Kommission islamischer Gelehrten bereits beschlossen sei und sich aller weiteren Streitpunkte – Taliban-Blockade von Hazarajat, Waffenstillstand, Gefangenenaustausch – annehmen werde.

Vergangene Woche hatten sich beide Seiten überraschend auf die Zusammensetzung dieser „Ulema“-Kommission geeinigt. Das Nachgeben der Taliban in dieser Frage – ursprünglich hatten sie sich vorbehalten, die Eignung der Kandidaten auf ihre Strenggläubigkeit zu überprüfen – war positiv bewertet worden. Doch ihr späteres Verhalten zeigt, daß sie nur an diesem Tagesordnungspunkt interessiert waren. Sie gehen davon aus, daß eine Ulema-Kommission die Taliban-Position einnehmen würde, da sie die einzigen „wahren“ Islam-Schüler sind. Ihre diplomatische Naivität zeigt sich auch in ihrer Annahme, diese Kommission sei trotz des Gesprächsabbruchs beschlossene Sache sei, was die Nördliche Allianz angesichts des Gesprächsabbruchs verneinte.

Es ist auch möglich, daß die Taliban das peinliche Zurschaustellen ihrer Aushungerungstaktik gegenüber der Zivilbevölkerung im Hazarajat vermeiden wollten. Aus dieser seit Monaten abgeriegelten Region werden die ersten Hungertoten gemeldet. Der Welternährungsrat in Islamabad spricht von rund hundert Todesopfern, Zehntausende sollen an akuter Unterernährung leiden. Bisher haben sich die Taliban geweigert, die Blockade aufzuheben, da das Gebiet vom Norden aus versorgt werden könne. Banden ehemaliger Mudschaheddin gefährden allerdings die Transporte vom Norden aus. Der wahre Grund für die Kriegstaktik ist aber die Tatsache, daß diese Provinzen mehrheitlich von Schiiten bewohnt werden, deren Kampfgruppen Mitglieder der Anti- Taliban-Allianz sind. Nachdem es den sunnitischen Taliban bisher nicht gelungen ist, den Gegner im Norden einzuschnüren, bildet Hazarajat das nächste Ziel im Kampf um die Kontrolle der restlichen zwanzig Prozent afghanischen Territoriums. Laut der afghanischen Agentur ANS sollen beide Seiten jetzt wieder für den Kampf rüsten. Bernard Imhasly

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