Falschaussagen halfen nichts: Prügelpolizisten verurteilt

■ Bewährungsstrafen für drei Polizisten, die in Bernau bei Berlin Vietnamesen mißhandelt hatten. Richter kritisieren die Lügen der polizeilichen Entlastungszeugen

Frankfurt a.d. Oder (taz/AP/dpa) – „Angeklagte Polizisten können sich auf Falschaussagen der Kollegen verlassen.“ Mit derart grundsätzlicher Kritik des Vorsitzenden Richters am Korpsgeist der Polizei endete nach mehr als zwei Jahren der bisher aufwendigste Prozeß gegen Beamte wegen der Mißhandlung von Ausländern. Im sogenannten Bernauer Polizistenprozeß sprach das Landgericht Frankfurt (Oder) drei Beamte der Körperverletzung im Amt für schuldig. Sie hatten auf ihrer Wache nach Überzeugung der Richter zwischen 1993 und 1994 in zusammen 13 Fällen vietnamesische Zigarettenhändler geschlagen und getreten. Die drei Angeklagten erhielten Bewährungsstrafen von zehn Monaten aufwärts, der Hauptangeklagte Joachim Grunz wurde zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Ein vierter Kollege, der gegen die Mißhandlungen nicht eingeschritten war, muß eine Geldstrafe von 5.400 Mark zahlen. Zwar blieben die Urteile unter den Anträgen der Staatsanwaltschaft, doch verhindern sie nach Ansicht des Gerichts eine Rückkehr der Polizisten in ihren Beruf.

Der Ausgang des Prozesses gilt unter Beobachtern als bemerkenswert, da es sonst bei Anklagen gegen Polizisten nur extrem selten zu Schuldsprüchen kommt. So wurden einer Studie zufolge in den acht Jahren zwischen 1980 und 1988 nur 17 von 4.552 beschuldigten Berliner Beamten verurteilt. Dies entspricht einem Anteil von 0,4 Prozent.

Im Fall Bernau stellte die Strafkammer in ihrer Urteilsbegründung „ein gewichtiges Führungsproblem der Polizei“ fest. „Mehrere polizeiliche Zeugen haben gelogen“, bilanzierte der Vorsitzende Richter Joachim Dönitz nach 108 Verhandlungstagen und kritisierte die „falsch verstandene Kameraderie“ unter den Beamten. Bei diesen Zeugen sei das Gericht auf eine Mauer des Schweigens gestoßen. Auch seien die Ermittlungen erschwert worden, weil einige vietnamesische Zeugen in ihr Heimatland abgeschoben wurden.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) reagierte heftig auf die Schelte an ihren Kollegen und sprach von einem Skandal. „Das Urteil ist ein politisches und kein strafrechtliches“, sagte Andreas Schuster, der GdP-Vorsitzende von Brandenburg. „Den Aussagen der Vietnamesen wurde mehr geglaubt als den Aussagen der Kollegen.“

Die Verteidiger hatten in dem Prozeß mit einer Verschwörung der vietnamesischen Zigarettenmafia argumentiert. Diese Interpretation wies die Kammer in der Urteilsbegründung zurück. Daß die Opfer alle aus der gleichen Provinz in Vietnam stammten, rechtfertige den Schluß auf eine mafiöse Verschwörung nicht. Außerdem seien die Aussagen auch von nichtvietnamesischen Zeugen bestätigt worden.

Das Motiv der Polizisten für die Mißhandlungen war nach Auffassung des Gerichts nicht der Versuch, Aussagen zu erpressen, sondern tiefe Frustration, den illegalen Zigarettenhandel nicht unter Kontrolle zu bekommen. mm/pat