: Resignation in Rot-Grün
GAL-Migrationspolitikerin Anna Bruns legt nach Streit um St. Georg ihr Mandat nieder. Sie kam mit der Regierungsrolle nicht klar ■ Von Silke Mertins
Ihren Rücktritt hatte sie schon oft angekündigt. Nun wirft sie wirklich das Handtuch: Gestern legte die GAL-Migrationspolitikerin und Fraktionsvizin Anna Bruns (60) überraschend ihr Bürgerschaftsmandat nieder. Den Entschluß faßte die profilierte Parteilinke nach einer turbulenten Fraktionssitzung am Montag. Bruns wurde vorgeworfen, den grünen Stadt-entwicklungssenator Willfried Maier zu demontieren. Sie hatte die unter Maiers Federführung verfaßte Senatsdrucksache zu St. Georg in der Maiausgabe des Stadtteilmagazins HH 19 als „grünes Bettlerpapier“ bezeichnet.
Offiziell läßt Bruns mitteilen, sie ziehe sich aus „persönlichen Gründen“ aus der Rathauspolitik zurück. Bekannt ist jedoch schon seit geraumer Zeit, daß sie den Drahtseilakt rot-grüner Regierungsverantwortung nur schwer erträgt. Auf der einen Seite klagt die sozial- und migrationspolitische Basis grüne Versprechen ein, auf der anderen der sozialdemokratische Koalitionspartner Kompromisse. Dazwischen saß die langjährige Oppositionspolitikerin Anna Bruns, die schon im November vorigen Jahres nach den Koalitionsverhandlungen überlegt hatte, ob sie den rot-grünen Vertrag überhaupt unterschreibt.
Eine Skeptikerin in Sachen Regierungsbeteiligung war Bruns schon vor den Wahlen im vergangenen September. Weil der Parteilinken ob der „Regierungsgeilheit“ der Realos angst und bange wurde, war sie vor einem Jahr überraschend als Spitzenkandidatin gegen Krista Sager angetreten. Daß Sager sich in der Kampfabstimmung klar durchsetzen konnte (219 zu 123), traf Bruns.
Schwer treffen wird die Mandatsniederlegung nun die Fraktion. Für Bruns rückt Andrea Franken nach. Eine auch nur annähernd so erfahrene und bekannte Politikerin wie Bruns ist weit und breit in der GAL nicht in Sicht. Es entsteht zudem der Eindruck, Rot-Grün habe erste „Opfer“ gefordert und die GAL sei über den Regierungskurs zerstritten.
GAL-Fraktionschefin Antje Möller bemüht sich um Schadensbegrenzung. Über die St.-Georg-Politik habe man sich zwar „gefetzt“, aber es müsse nun mal Streit geben. Maiers Papier, das keine grünen Akzente setzt, „können wir nicht einfach abnicken“. Willfried Maier erklärte gestern brav, „die enge und kritische Zusammenarbeit“ mit der Fraktion sei ihm „wichtig“. Er bedaure Bruns' Entscheidung.
Der Rücktritt „reißt eine nicht zu schließende Lücke in die politische Arbeit der GAL“, ist Fraktionschefin Möller merklich geschockt. Weder sie noch andere GAL-Abgeordnete hatten mit einem solchen Schritt gerechnet. Als „großen Frust“ beschreibt der Linken-Wortführer Norbert Hackbusch den Schritt seiner Fraktionskollegin Bruns. „Wir können auf viele verzichten, aber nicht auf sie.“
Selbst die anderen Fraktionen reagierten gestern bestürzt. „Das überrascht mich kolossal“, so SPD-Fraktionschef Holger Christier, „sie war immer eine glaubwürdige Verfechterin ihrer Anliegen.“ Oppositionsführer Ole von Beust bezeichnete Bruns' Rückzug gar als „Verlust für unser Parlament“. Sie sei eine „couragierte und ehrliche Politikerin“, die „auch uns oft zum Nachdenken gebracht hat“.
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