: Versicherung gegen Schwarzfahren
■ Mit einer ungewöhnlichen Aktion will das Aktionsbündnis Erwerbslosenproteste für die nächste Demo der Arbeitslosen am Freitag mobilisieren. Kein Konfrontationskurs wie am 1. Mai
Arbeitslose sollen am Freitag zwischen 10 und 12 Uhr massenhaft schwarzfahren. Dazu ruft das Aktionsbündnis Erwerbslosenproteste auf. 60 Mark sollten die Schwarzfahrer auf dem Weg zum Breitscheidplatz allerdings in der Tasche haben, um ein erhöhtes Beförderungsentgeld sofort zahlen zu können, falls sie Kontrolleuren der BVG in die Arme laufen.
Das Geld wird auf der Demonstration des Aktionsbündnisses, die um 11 Uhr an der Gedächtniskirche losgeht, gegen Quittung rückerstattet. Dafür bürgt der Politikwissenschaftler Peter Grottian, der für die Schwarzfahr-Versicherung mit 3.000 Mark geradesteht.
Der Runde Tisch zur Koordinierung der Berliner Arbeits- und Erwerbslosenaktionen will mit dem Schwarzfahr-Spektakel nicht nur Arbeitslose auf den 4. Arbeitslosenaktionsstag locken, sondern gleichzeitig in der Öffentlichkeit auf die Situation von Erwerbslosen aufmerksam machen. Viele Arbeitslose könnten sich die BVG- Tickets zur Hin- und Rückfahrt einer Demo nicht leisten. Darum fordert der Runde Tisch die kostenlose Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel für alle Menschen mit geringem Einkommen und ein gesetzliches Mindesteinkommen von 1.500 Mark monatlich plus Warmmiete.
Christof Schaffelder vom Aktionsbündnis will mit der Schwarzfahr-Versicherung „versuchen, eine Demonstrationskultur zu entwickeln, die nicht auf den Konfrontationskurs à la 1. Mai setzt“. Nach den Auseinandersetzungen mit der Polizei in den ersten Maitagen hätten viele Arbeitslose Scheu, auf die Straße zu gehen.
Der Runde Tisch, der nach französischem Vorbild seit Anfang Februar in Berlin Veranstaltungen von Arbeitloseninitiativen, Gewerkschaften und des DGB koordiniert, sieht in der Mobilisierung Erwerbsloser ein grundsätzliches Problem seiner Arbeit. Während am 1. Aktionstag rund 5.000 Leute teilnahmen, kamen zu den Folgeveranstaltungen immer weniger Arbeitslose. Man müsse „die KollegInnen aus ihren Wohnungen rausholen“, meint Ursula Schäfer vom DGB. Die Gesellschaft stigmatisiere Menschen ohne Arbeit. Dabei gehöre eine Phase von Arbeitlosigkeit inzwischen zur Normalbiographie.
Zum 8. Mai rufen auch in Frankreich, Belgien, Italien und den Niederlanden Arbeitsloseninitiativen zu Aktionstagen auf. Auf der Schlußkundgebung der Berliner Demonstration, die gegen 12 Uhr 30 an der Börse in der Hardenbergstraße stattfinden soll, wird ein französischer Gastredner sprechen. Die Veranstalter erwarten darüber hinaus Vertreter des Landesvorstands der PDS, der Grünen und der SPD. Kirsten Küppers
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