■ Mit den Endlagerkosten auf du und du: Klage als Drohung
Hannover (taz) – Nun wird die Atomindustrie wohl doch bald gegen die Bundesregierung vor Gericht ziehen. „Unsere Klage gegen die Endlagervorausleistungsverordnung werden wir demnächst wieder aufnehmen“, erklärte Heinz Klinger, Präsident der Vereinigung deutscher Elektrizitätswerke (VDEW) dieser Tage.
Schon einmal hatten die Atomstromer in erster Instanz erfolgreich gegen die Verordnung prozessiert, die Klage in zweiter Instanz dann aber ruhen lassen. Einerseits geht es für die Unternehmer um viel Geld, andererseits hat sich die Drohung mit der Klage bislang aber auch gut als Druckmittel gegen die Bundesregierung geeignet. Immerhin hat sie schon zu einer industriefreundlichen Atomnovelle geführt, bei der dann aber die SPD nicht mitgespielt hatte.
Jetzt müssen die Atomstromer langsam auch an ihre Finanzen denken, schließlich geht es um mehrstellige Millionenbeträge. Auf Grundlage der Verordnung mit dem Bandwurmnamem kann der Bund bei den Atomkraftbetreibern das Geld für den Bau der Endlager Gorleben und Schacht Konrad einkassieren. Schon vor der Atommülleinlagerung – im voraus eben – müssen die Unternehmen für die Endlager jedes Jahr Zahlungen von rund 400 Millionen Mark leisten. Sollte nach der Genehmigung von Schacht Konrad, mit der wohl im Juni zu rechnen ist, in Salzgitter der Endlagerausbau beginnen, würde sich die jährliche Summe fast verdoppeln.
Als die Isar-Amperwerke, denen VDEW-Präsident Klinger vorsteht, vor Jahren stellvertretend für die Stromversorger klagten, kritisierte das Verwaltungsgericht Braunschweig in erster Instanz den Schlüssel des Bundes für die Aufteilung auf die AKW-Betreiber und erklärte die Verordnung für rechtswidrig. Nachdem der Bund gegen dieses Urteil vor dem OVG Lüneburg in die Berufung gegangen war, einigten sich die beiden Parteien darauf, den Rechtsstreit ruhen zu lassen, als der Bund eine verbesserte Verordnung versprach. Doch diese scheiterte dann im Bundesrat am Nein der SPD.
Mit dem Verordnungsentwurf hatte der Bund erstmals festschreiben wollen, daß in der Bundesrepublik auf jeden Fall noch zwei Atommüllendlager errichtet werden müssen: eines für alle Arten von Strahlenmüll, wie es in Gorleben geplant ist, und eines für den weniger heißen Atommüll, wie es mit Schacht Konrad vor der Genehmigung steht. Dabei wäre auch nach den Prognosen des Bundes ein einziges Endlager allemal ausreichend.
Wirtschaftlich Sinn machen solche Zahlungen für überdimensionierte Endlager nur, wenn sich damit eines Tages Geld verdienen läßt. Die jetzt in Kraft getretene Atomgesetznovelle macht die Privatisierung der Atommüllendlagerung möglich. Nach dem Willen von Bundesumweltministerin Angela Merkel sollen langfristig die AKW-Betreiber übernehmen. PreussenElektra hat bereits ein Auge auf die Nachbarstaaten geworfen. Einigen Ländern fehlten durchaus Endlager, sagte ein Vorstandsmitglied in Hannover kürzlich. Nur laut und öffentlich wollte der Strommanager das noch nicht sagen. Jürgen Voges
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