: Linke Grüne uneins über Bosnien
Bundesvorstand will mit eigenem Beschluß eine Diskussion auf dem Länderrat vermeiden. Bundestagsabgeordnete Beer wünscht Kompromiß mit den Realos ■ Aus Bonn Bettina Gaus
Bei den Bündnisgrünen droht neuer Streit über den internationalen Militäreinsatz in Bosnien. Allerdings verläuft die Linie des Konflikts nicht entlang der bekannten Strömungen: Prominente Parteilinke sind uneins darüber, welche Position die Grünen einnehmen sollen – und welches Gremium sich damit zu befassen hat.
Auf dem Länderrat Anfang Juni in Bonn, der ein Kurzprogramm für die nächste Legislaturperiode verabschieden soll, will die Abgeordnete Angelika Beer als eigenständige Resolution einen Beschluß ihres schleswig-holsteinischen Landesverbandes einbringen. Sie hofft, daß er einen möglichen Kompromiß für Vertreter aller Strömungen darstellen kann: „Die Partei will keinen Streit mehr über Bosnien.“
In dem Papier wird zwar weiterhin die deutsche Beteiligung an Nato-Kampfeinsätzen abgelehnt und für Bosnien ein friedenserhaltender Einsatz von UN-Blauhelmen gefordert. Gleichzeitig aber werden der ersatzlose Abzug der SFOR-Truppen sowie ein alleiniger Abzug des deutschen Kontingents für „unverantwortlich“ erklärt. Die Verabschiedung der Resolution im Länderrat käme einer Empfehlung für die Abgeordneten gleich, im Bundestag dem Bosnien-Einsatz entweder zuzustimmen oder sich zu enthalten.
Das geht dem mehrheitlich linken Bundesvorstand zu weit. „Wir wollen nicht Abgeordnete, die die Regierungsvorlage ablehnen, ins Abseits stellen“, erklärt Frithjof Schmidt vom Vorstand. „Es wird ja im Bundestag nicht isoliert über den Bosnien-Einsatz abgestimmt, sondern über eine Vorlage der Bundesregierung und damit über deren Politik.“ Der Bundesvorstand will das Thema auf dem Länderrat Anfang Juni am liebsten gar nicht behandelt sehen. Statt dessen möchte er in der nächsten Woche einen Beschluß fassen, in dem er die eigene Position deutlich macht und die Bosnien-Abstimmung für die Fraktion freigibt.
„Nichtbefassung kommt auf dem Länderrat meines Erachtens nicht durch“, meint dazu Angelika Beer. „Dezidiert linke Positionen, und sie sind begründbar, kann man nicht einmal im Jahr wie in der Kirche wiederholen und ansonsten die außenpolitische Diskussion vermeiden.“ Diesen Vorwurf hält Frithjof Schmidt für „ungerecht, weil wir das Problem ja im Vorfeld lösen wollen. Wir wollen, daß sich auf dem Länderrat die Aufmerksamkeit auf das Kurzprogramm konzentriert.“
Auch Vertreter des realpolitischen Flügels wünschen allerdings eine Diskussion über das Thema Bosnien. „Wir werden auf diesem kleinen Parteitag klären müssen, wie unsere Partei sich in dieser Frage verhält“, meint der parlamentarische Geschäftsführer, Werner Schulz. Von ihm kommt Beifall für die von Angelika Beer favorisierte Resolution: „Ich wüßte kaum etwas Besseres zu sagen.“ Der Abgeordneten Marieluise Beck geht das Papier dagegen nicht weit genug, obwohl sie anerkennt, daß Angelika Beer „einen großen Schritt“ getan habe: „Ich bin dafür, daß wir uns als Partei und Fraktion eindeutig für eine Verlängerung von SFOR aussprechen.“ Vermeiden lasse sich die Diskussion nicht: „Damit können wir nicht durchrutschen bis zur Bundestagswahl.“ Es sei denn, die Abstimmung im Bundestag findet noch vor dem Länderrat statt. Noch steht der Termin nicht fest.
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