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Island, entzaubert

■ Whiskey, Jeans, Ersatzteilkönige: Einar Karason und Einar Mar Gudmundsson lesen heute abend in Hamburg

Klickt man die Website der isländischen Botschaft an, stößt man schnell auf die Rubrik „Kurioses“. Dort liest man dann die Geschichte von dem Bankeinbruch nach, wo zwei findige Kerle einen Geldautomaten mitnehmen, um ihn mit der eigenen EC-Karte zu entleeren; erfährt des weiteren, daß unlängst 10.000 Flaschen Alkoholika, mit einem Rabatt von 25 Prozent versehen, in wenigen Stunden ausverkauft waren. So geben sie sich, die Isländer. Ziemlich seltsam und immer für eine Überraschung gut.

Mitgestrickt an diesem Image jenseits majestätischer Gletscher und endloser Eiswüsten haben zwei Literaten: Einar Kárason und Einar Már Gudmundsson. Kárason verdanken wir die Roman-Trilogie Die Teufelsinsel, die schildert, wie das war, als nach Kriegsende mit den Amis der Rock'n'Roll auf die Insel kam; die Jeans, der Whiskey und der lockere Lebenswandel des Konsumismus. Als die Isländer ihre windschiefen Torfhäuser verließen und in hastig hochgezogenen Wohnblocks die Schwierigkeiten des Zusammenlebens meistern lernten; als man sich auf Pump einen Straßenkreuzer anschaffte, statt auf einem zotteligen Pony übers Graumoos zu reiten.

Von Gudmundsson wiederum stammen die Drehbücher der Fridrik-Thór-Fridriksson-Filme Kinder der Natur oder Movie Days. Road Movies, die die unwirtliche Landschaft Islands mit schrulligen Gestalten bevölkern.

Von beiden sind jetzt neue Romane erschienen, die die Entzauberung des vermeintlichen Natur-idylls fortsetzen und zugleich einen neuen Schimmer über das Land legen. Kárasons Törichter Männer Rat schildert den Lebensweg Sigfús Killians, der auszieht, um Gold zu schürfen und als Erstazteilkönig endet. Ihm zur Seite eine Schar halbverrückter Kinder, jeder Lebensweg ein Roman für sich.

Engel des Universums von Gudmundsson widmet sich dagegen ganz dem Innenleben seines Helden Páll. Geboren am Tage des NATO-Beitritts, kommt dieser mit den rasanten Veränderungen seiner Umgebung nicht zurecht, wird Künstler, hält sich abwechselnd für Gauguin und Van Gogh und beschließt in Reykjaviks Irrenanstalt sein Leben. Das alles ist sehr poetisch erzählt, voller tragisch-komischer und verstörender Momente.

Beide Romane haben hierzulande viel Anerkennung gefunden, so daß eine Lese-Tournee folgen mußte. Wer also für eine Reise auf die modern-archaische Insel zu haben ist, dem ist ein unterhaltsamer Abend versprochen. Noch dazu, wo beide begnadete Vorleser sind.

Frank Keil

Einar Kárason: „Törichter Männer Rat“. Aus dem Isländischen von Maria-Claudia Tomany. Paul Zsolnay Verlag, 1998, 320 Seiten, 39,80 Mark

Einar Már Gudmundsson: „Engel des Universums“. Aus dem Isländischen von Anglika Gundlach. Hanser Verlag, 1998, 196 Seiten, 38 Mark

Achtung, verlegt: Die Lesung findet heute um 19.30 Uhr in der Fachhochschule für Bibliothek und Information, Grindelhof 30, statt.

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